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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 223
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0041
einen auf die andere Sprache „umschalten", ohne Dialekt und Schriftsprache zu
vermischen. Der Französischunterricht führt ja auch nicht zu einer Sprachmischung,
sondern er trainiert auf das rasche „Umschalten". Deshalb erscheint es mir
pädagogisch richtig, daß die Lehrer sehr früh auf eine einwandfreie Verwendung
der Schriftsprache in Wort und Schrift dringen und die Unterschiede nicht verwischen
. Von der Bereitschaft zur sprachlichen Umstellung profitieren später die
Fremdsprachen; es kann denn auch kein Zufall sein, daß in der Schweiz ein hoher
Prozentsatz der Schüler wenigstens eine Fremdsprache erlernt. Eine gewisse
„Relativierung" der Muttersprache, wie sie schon durch die erwähnten Dialektunterschiede
gefördert wird, begünstigt ohne Zweifel die geistige Beweglichkeit.
Aus diesen Gründen erscheint es mir richtig, nicht von einer Barriere, sondern von
einer Hürde zu sprechen. Wer die erste Hürde, die zwischen Mundart und Schriftsprache
steht, erfolgreich genommen hat, überspringt auch weitere Hürden. Daß
die Schweiz viele gute Linguisten gestellt hat und stellt, kann kein Zufall sein:
Das Interesse für sprachliche Phänomene kann sich früh am bewußt gewordenen
Dialekt entzünden.

Die Dialekte der Westschweiz und des Tessins sind heute durch das Französische
und das Italienische so gut wie verdrängt worden. Man hat vor Jahrzehnten den
schweizerdeutschen Mundarten ein ähnliches Schicksal prophezeit, aber durchaus
zu Unrecht. Was sich in der Zwischenzeit abgespielt hat, ist eine Nivellierung der
Mundarten im Umkreis städtischer Agglomerationen (Zürich, Bern und Basel),
aber durchaus keine Preisgabe der Mundart an sich. Ob die idealistische, oft auch
etwas sentimentale Mundartpflege an der Resistenz des Schweizerdeutschen entscheidend
verantwortlich ist, wage ich gerade als Volkskundler zu bezweifeln. Sie
hat höchstens eine zusätzliche Stütze geliefert; das Entscheidende ist, daß heute in
keiner sozialen Schicht ein Bedürfnis besteht, auf die Schriftsprache umzustellen.
Die Symbiose der beiden Sprachen ist ein Schicksal, dessen unverkennbare Schwierigkeiten
durch die genannten Vorteile wettgemacht werden.

Anhangsweise sei zum Schlagwort „Sprachbarriere" noch auf eine Tatsache hingewiesen
, die man nicht außer Acht lassen sollte. Man möchte annehmen, daß nur
Fremdsprachenunterricht Verständnisschwierigkeiten in einem anderssprachigen
Land abbauen kann. Vor einigen Jahren habe ich eine Carfahrt nach Spanien mitgemacht
. Der verantwortliche Basler Chauffeur (Fahrer), ein etwa 50jähriger
Mann mit Elementarschulbildung, sprach weder französisch noch spanisch; von
jeder Sprache war ihm kaum mehr als ein Dutzend Wörter bekannt, die er
sich auf früheren Fahrten angeeignet hatte. Er baute sie in schweizerdeutsche
Sätze ein, wenn er unterwegs und am Ziel zu verhandeln hatte. Verständnisschwierigkeiten
gab es auf beiden Seiten nie; nötigenfalls ergänzten Gesten das
Wort. Ähnliches wäre von Gastarbeitern in der Schweiz zu berichten, die sich in
verschiedenen Situationen verständlich machen können und rasch auch das
Nötigste vom Schweizerdeutschen verstehen. So wichtig die Schule ist: nicht nur
dem Körper, sondern auch dem Geist der Menschen stehen Reserven zur Ver-,
fügung, die sich unter gegebenen Voraussetzungen „von selber" mobilisieren
lassen.

PETER BAMM: „Konfuzius sagt: Wenn die Worte nicht stimmen, stimmen die Begriffe
nicht. Wenn die Begriffe nicht stimmen, wird die Vernunft verwirrt. Wenn die Vernunft
verwirrt ist, gerät das Volk in Unruhe. Wenn das Volk unruhig wird, gerät die Gesellschaft
in Unordnung. Wenn die Gesellschaft in Unordnung gerät, ist der Staat in Gefahr."
Aus „Eines Menschen Zeit", Droemer-Knaur 1972.

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