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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 231
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waltung, d. h. der Staat trug nur ausnahmsweise zu den Kosten bei, etwa beim
Schulhausbau. In den ärmeren Gemeinden war deshalb die Besoldung nicht nur
der Lehrer, auch der Pfarrer, überaus kärglich. Einzelne abgelegene Orte galten
als Plätze für Strafversetzungen. Auf diese Weise waren die von der Natur und
wegen ungünstiger Verkehrslage schon benachteiligten Dörfer doppelt zurückgesetzt
.

Im allgemeinen aber kann man damit rechnen, daß schon vor der Einführung
der allgemeinen Schulpflicht (1751) der Schulbesuch, das Lernen von Catechismus
und Psalmen, der Gesang, vor allem der Kirchengesang, der Umgang der Schüler
mit Lehrer und Pfarrer — die allerdings wohl in der Mehrzahl im Lande aufgewachsen
und selbst Dialektsprecher waren — seit wenigstens dem Ende des 16. Jh.
die gewohnte Vorbereitung zum Schritt in schriftsprachliche Umgebungen gewesen
ist.

3.7 Auch die Nachrichten, die uns Johann Peter Hebel über seine Hausener
Schulzeit mitgeteilt hat, zeigen seinen Lehrer als zwar strengen, aber fähigen
Pädagogen, der in seinem Mannesalter bereit war, sich in neuen Fächern weiterzubilden
. Uber seine Motive, die ihn zur Veröffentlichung der „Alemannischen
Gedichte" veranlaßten, schrieb Hebel 21):

„Meine erste Absicht ist die, auf meine Landsleute zu wirken, ihre moralischen
Gefühle anzuregen, und ihren Sinn für die schöne Natur um sie her, theils zu
nähren und zu veredeln, theils auch zu wecken . . . Ich wünsche auch allgemeiner
zu interessieren und dem Studium der deutschen Sprache, wenn auch nur etwas
weniges und mittelbar zu nützen." Nach seinen Erfolgen mit diesem Büchlein hieß
es selbstbewußter: „Ich kann in gewissen Momenten in mir unbändig stolz werden
und mich bis zur Trunkenheit glücklich fühlen, daß es mir gelungen ist, unsere
sonst so verachtete und lächerlich gemachte Sprache klassisch zu machen und ihr
eine solche Celebrität zu ersingen." ~)

Daß er mit seiner alemannischen Mundart diese Anerkennung finden würde,
war für Hebel bei der Vorbereitung der ersten Ausgabe jedoch so ungewiß, daß
er nicht seinen vollen Namen, sondern nur dessen Initialen nannte. Diese Vorsicht
ist nur mit Hebels ungewisser Angst, i3) lächerlich gemacht zu werden, erklärbar
. O. Behaghel zitiert in seiner Hebel-Ausgabe 24) zahlreiche Besprechungen
der Hebel'schen Gedichte, darunter auch eine anonyme, von der Art, wie Hebel
sie gefürchtet haben mag. Behaghel schreibt: „Ein Anonymus rühmt die Gedichte
in der Oberdeutschen Allg. Literaturzeitung, 9. Juli 1803, mit der merkwürdigen
Schlußbemerkung: „aber auch Leser von höherer Bildung werden sie nicht ganz
unbefriedigt aus den Händen legen". Damit hat sich der Anonymus der allzu bescheidenen
Worte, die Hebel selbst in seiner Vorrede gebraucht hat, bedient, ohne
es zu sagen. Die Herablassung eines sich gebildet Dünkenden hat Behaghel protokolliert
. Die Hinterhältigkeit, mit der sie geäußert wurde, hat er offenbar nicht
bemerkt.

Auch Hebel, als Pädagoge, spricht nie von sprachlichen Schwierigkeiten seiner
Landsleute mit der Schriftsprache. Was ihm dagegen in „hochsprachlicher" Umgebung
begegnet ist, war Verachtung und Lächerlichmachen seiner Mundart.

3.8 Die Maulsperre und Bausingers Dialekt als Sprachbarriere.

Hier ist nun der Ort, auf Bausingers historisches Beispiel mit der Maulsperre in
Zerenners Büchlein von 1794 zurückzukommen. Wie hieß es da? „Warum herrscht
unter dem gemeinen Volk noch immer soviel Unwissenheit und Roheit?" Und
„der Mangel an richtiger Sprachkenntnis und das Unvermögen des großen Haufens
, den ihm ertheilten öffentlichen Unterricht zu verstehen und zu nutzen
(erschweren) die bessere, geistige und sittliche Ausbildung desselben." . . . „Sie
verstehen die hochdeutsche Sprache nicht, und da ist's denn, als wenn sie die
Maulsperre hätten". Heureka: Dialekt als Sprachbarriere! Wie ist das doch so
einfach. An den gebildeten, hochsprachlichen Lehrern kann es nicht liegen, die
Schüler, unwissend und roh wie sie sind, haben deren Unterricht eben von selbst
zu verstehen, mindestens mit Hilfe der älteren Schüler. Nach allem dürfte das

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