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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 235
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0053
finden kann, das muß betont werden. Die Kultusverwaltung hat sich darum
bisher nicht erkennbar bemüht.

Hier scheint uns eine der echten Barrieren zu stehen. Der Dialektsprecher ist
allein gelassen. Die Lehrer, wenn sie nicht gerade germanistisch-sprachwissenschaftlich
interessiert sind, sind meist nicht in der Lage ,dem Schüler das Verhältnis
zwischen Dialekt und Schriftsprache lexikalisch, also vom Wortschatz her, grammatisch
, semantisch (von der Bedeutung her), aus der Sprachentwicklung, ja
nicht einmal lautlich zu erklären.

5 Noch zwei Einwände

Die Sprachbarrieren-Theorie gegenüber dem Dialekt wird durch zwei besondere
Umstände infrage gestellt, die zum Schluß noch erwähnt seien. Es war
schon die Rede vom intensiveren und bewußteren Umgang des Dialektsprechers
mit der Schriftsprache in der Schule. Er ist gezwungen, auf Lautregeln zu achten,
eine veränderte Grammatik anzuwenden, usw.

5.1 Man sollte deshalb einmal die Gründe klarmachen, warum gerade die
Schweiz in den letzten Jahrzehnten eine so große Zahl bedeutender Germanisten
hervorgebracht hat. Und man sollte sich überlegen, ob es nicht gerade die Dialekt-
sprachigkeit der deutschen Schweiz ist, die ihre Bürger befähigt oder dazu bringt,
mehr fremde Sprachen zu lernen, als dies in Ländern mit einer ausgesprochenen
Hochsprache der Fall ist. Das bezieht sich nicht nur auf die beiden anderen offiziellen
Landessprachen, Französisch und Italienisch, sondern auch auf andere
Fremdsprachen. Es sind auch nicht die berufliche Vielfalt und die internationalen
Verbindungen, die dies allein bewirken. Denn sonst müßten die welschen Landesteile
ebenso vielsprachig sein. Hier aber unterscheiden sie sich in kennzeichender
Weise von der alemannischen Schweiz. In der Schweiz entschuldigt man die
Welschen sehr höflich damit, daß die Deutschschweizer eben Dialekt sprächen,
mit dem ihre welschen Mitbürger nichts anfangen könnten, er komme ihnen
zudem zu grob vor. Das ist durchaus richtig, zumal auch die Bereitschaft, mit dem
anderssprachigen Miteidgenossen Schriftdeutsch zu sprechen, recht gering ist. Aber
hinter dieser welschen Abneigung, fremde Sprachen zu lernen, steckt noch etwas
anderes, das auch die Franzosen allzulange gehindert hat, sich für andere
Sprachen zu interessieren: Der Prestige-Anspruch des französischen Sprachbereichs
auf kulturelle Vorrangstellung seiner Sprache. Das Thema ist in der Schweiz
nicht erst seit dem Juraproblem so heikel, daß es nicht offen angesprochen wird.
Die Vorstellung, die schweizer Dialekte seien „grob", sagt ja deutlich genug, was
gemeint ist. Man sagt nicht mehr „bouvier", meint aber seine Sprache. Sprache ist
eines der menschlichen Grundphänomene, das eigentlich abwertendem Urteil
entzogen sein sollte.

Deshalb scheint das Interesse am Fremdsprachen-Lernen der Deutschschweizer
doch etwas mit ihren sprachlichen Fähigkeiten als Dialektsprecher zu tun zu
haben. Warum fragen Dolmetscherinstitute nach Dialektkenntnissen? Sie sagen
etwas aus über das Interesse an Sprache und über das Gehör für Sprachnuancen
und Sprachmelodie.

5.2 Es ist nicht Sache des Historikers und würde in diesem Rahmen zu weit
führen, sollten wir hier zu den soziolinguistischen Feldforschungen über soziale
Fragen des Problems „Dialekt in der Schule" Stellung nehmen. Sie kommen zu
den verschiedensten Ergebnissen. Als Beispiel sei auf die von Ulrich Ammon
erwähnten Versuche des Schweden Tore österberg 33) in Pitea (Nordschweden)
verwiesen. Sie sind ein Hinweis auf das Gegenteil der Sprachbarrierentheorie,
wenn man Schule nicht als einen außersprachlichen Selbstzweck ansieht, für den
Schriftsprache im luftleeren Raum existiert.

Aber auf die Methoden soziolinguistischer Untersuchungen muß hier hingewiesen

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