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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 244
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0062
Bei der Erlernung der Schriftsprache in der Unterstufe (und ein regelrechtes Erlernen
des Hochdeutschen ist vor allem auf dem Lande noch durchaus die Regel)
scheint sich allerdings die Mundartfibel in der Schweiz nicht mehr aufzudrängen.
Es wird die direkte Methode bevorzugt: also gleich hinein in das schriftdeutsche
Lesen. Der mündliche Unterricht erfolgt aber im ersten und zweiten Volksschuljahr
noch fast ganz in Mundart, da sonst die Ausdrucksfreude der Kinder gerade
in der Anfangsphase, wo sie noch frisch aus sich heraus gehen, abgewürgt wird.
Der Übergang zum schriftdeutschen Schulgespräch erfolgt schrittweise.

Wohl aber darf vom Schüler der Mittel- und Oberstufe erwartet werden, daß
ihm inzwischen die wichtigsten Unterschiede von Mundart und Schriftsprache ins
Ohr gegangen sind, so daß er auch begreift, daß verschieden geschrieben werden
muß. Die vergleichende Methode in Form eines Übungsbuches kann ihm diese
selbsterfahrenen Unterschiede nun auch bewußt machen. In den Landgemeinden,
in denen Mundart noch Umgangssprache ist, müßte auch in Baden die volle Zweisprachigkeit
das Ziel sein, zu welchem die Schule ihren Beitrag zu leisten hätte.

Aber auch ohne ein besonderes Lehrmittel kann die Mundart in ausgewählten
Stücken des Lesebuchs ihren Platz finden. Aber die Lesestücke sollten mit Worterklärungen
versehen sein, damit — falls die Stücke nicht vom Lehrer behandelt
werden — der Schüler sie selber lesen und verstehen kann.

So bin ich auf etlichen Umwegen schließlich beim Lesebuch angelangt, das auf
Anregung der „Muettersproch-Gsellschaft" geschaffen und unter der Schriftleitung
von Richard Gäng im Schauenburg-Verlag in Lahr erschienen ist. Es heißt „Alemannische
Geschichten, E Lesbuech in der Muettersproch für großi und chlini Lüt".
Der erste Band enthält Erzählungen, ein zweiter mit Gedichten und allerhand
Kleinliteratur sowie Theaterstücken soll folgen.

Ich hoffe, man nehme es mir nicht übel, wenn ich das Buch kritisch unter die
Lupe nehme. Das paßt vielleicht nicht so ganz zum feierlichen Rahmen und zum
Sonntagvormittag. Da aber das Buch den Anspruch stellt, in der Schaffung einer
neuen Schreibweise wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen und dies in der
umfänglichen Einleitung begründet wird, muß ich von meinem Standpunkt aus
dazu Stellung nehmen. Das kann nicht in alle Einzelheiten hinein geschehen.

Der Inhalt des Buches ist ansprechend und lebendig. Die Spreu vom Weizen zu
sondern, ist nicht meine Aufgabe. Laut Vorwort wurden auch gesellschaftskritische
und soziale Themen aufgenommen: ich habe sie nicht gefunden. Ich hätte mich
umfangmäßig etwas eingeschränkt und dafür den einzelnen Stücken Worterklärungen
beigegeben. Zwischen dem Hanauerland und dem Vorarlberg gibt es doch
erhebliche Unterschiede. Nur von wenigen Lehrern wird man erwarten können,
daß sie der genaueren Wortbedeutung in Einzelfällen nachspüren werden. Um die
nötigen Wörterbücher und Quellen zu finden, müßten sie schon das deutsche
Seminar in Freiburg oder das Badische Wörterbuch aufsuchen. Nicht einmal das
letztgenannte Werk ist in allen Lehrerzimmern zu finden. Statt der Bemühungen
um eine Rechtschreibung hätte die Einleitung besser eine kurze Charakteristik der'
badischen alemannischen Mundarten geboten, zusammen mit einer kleinen Ubersichtskarte
, allerdings von einem Fachmann verfaßt.

Am wenigsten befriedigt die durchgeführte Einheitsschreibweise. Ich will hier
gar nicht davon sprechen, daß keine zustandekommt, da zwar eine Angleichung
an die Schriftsprache überall die Tendenz ist, also Ausgleich mit Hilfe der Schriftform
angestrebt wird, andererseits die örtlichen Besonderheiten trotz allem zum
Zuge kommen sollen. Ein unmögliches Unterfangen! Der Schriftleiter will keine
phonetische Schreibweise bieten. „Phonetisch" nennt er z. B. die Schreibweise Albert
Bächtolds. Eine phonetische Schrift aber bedient sich eines ganzen Systems besonderer
Zeichen, um der Vielfalt gesprochener Laute einigermaßen gerecht zu werden:
sie ist ein rein wissenschaftliches Instrument und für den Laien überhaupt nicht
lesbar. Bächtolds Schreibweise, die sich fast völlig an „Schweizerdeutsche Dialektschrift
" anlehnt, könnte eher schon eine phonematische genannt werden, weil sie
sich bemüht, alle für das Auseinanderhalten und Verstehen der Wörter notwen-

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