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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 258
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0076
e) Die Pfarrerfamilien und die Volksbildung.

Die persönliche Rolle der Pfarrer für das frühe Bildungswesen, ihre Rolle als
Amtsinhaber braucht hier nicht mehr geschildert zu werden. Es ist klar, daß im
Vordergrund das Bestreben der Kirche stand, daß alle Gemeindeglieder die Bibel
sollten lesen können, ebenso den Katechismus, die Choräle und Kirchenlieder.
Daß aber Lesen und Schreiben eine für die Dorfgemeinde, deren Selbstverwaltung
von den mittelalterlichen Anfängen her als Dorfgenossenschaft beschrieben wird,>
aus Tradition wichtige Funktion gehabt haben muß, wurde oben schon gesagt. In
unserer Landschaft, wo dieser Zusammenhang sehr deutlich wird, hat deshalb die
Schulbildung von den Anfängen her nicht nur die kirchliche sondern auch eine
bürgerliche Funktion gehabt.

Es gab nun im 17. und 18. Jahrhundert eine von ihren Anfängen und Antrieben
her zwar protestantisch geprägte, später aber auch in katholischen Ländern gelesene
und von katholischen Autoren mitgetragene Literaturgattung, die sogenannte
Hausväterliteratur. Sie muß nach der Zahl der Autoren und der Menge
ihrer Auflagen ungewöhnlich große Stückzahlen unter die Leute gebracht und
einen garnicht hoch genug einzuschätzenden Einfluß gehabt haben. Ihr Inhalt
war der praktischen Führung zunächst der großen ländlichen, später auch des
bürgerlichen Normalhaushalts jener Zeit gewidmet. Ihre Werke enthielten das
ganze Wissen jener Zeit über Ackerbau, Waldbau, Rebbau, Viehhaltung, Gartenbau
, Imkerei, Fischerei. Sie schildern die Techniken der Hauswirtschaft selbst,
Kochen, Backen, Brauen, Brennen, Schlachten, Dörren, Salzen, kurz alle Möglichkeiten
des Haltbarmachens der Lebensmittel. Sie brachten auch einen Arbeitskalender
, Wirtschafts- und Wetterregeln, Ratschläge für das familiäre und soziale
Verhalten, den medizinischen und hygienischen Bereich, also die häusliche Ge-
sundheits-, Kranken-, Wochenbett- und Säuglingspflege. Abhandlungen über Aberglauben
, Traumdeutung, Astrologie, Briefsteller, Juristisches und Abschnitte über
„Raritäten" und „Curiositäten" sind fast immer enthalten. Mit einem großen
Teil ihrer Thematik erscheint die Hausväterliteratur als Vorläufer der ländlichen
Volkskalender.

Unzweifelhaft hat diese Literatur zum Bestand vieler Bibliotheken in den
protestantischen Pfarrhäusern gehört. Daß sie auch in unserer Gegend bekannt
gewesen sein dürfte, läßt sich aus dem Umstand schließen, daß einer ihrer
Anreger der Dr. Johann Thomas Freigius 7) als Verfasser der „Quae-
stiones Oeconomicae et Politicae" war. Freigius — nach Humanistensitte
latinisierte er seinen Familiennamen Frey — stammte von Schallbach und ehe
er als Rektor an die Akademie von Altdorf (Nürnberg) ging, verbrachte er etwa
ein Jahr in Schallbach, wo er seine „Quaestiones", die um 1578 in Basel erschienen
sind, geschrieben haben dürfte. Freigius Sohn Thomas wurde evangelischer Pfarrer
im Oberland. Es ist nun belegt, wenigtens um die Mitte des 18. Jahrhunderts, daß
die Kirchenleitung von den Pfarrern auch verlangt hat, sich um den beruflichen
Fortschritt ihrer Bauern zu kümmern: Sie sollten sie zur Obstbaumzucht, zum
Kleeanbau und zur Bienenzucht anhalten. 8) Die Ratschläge der physiokratischen
Theoretiker würden weder Pfarrer noch Bauern sehr beeindruckt haben, wenn
ihnen solche Dinge nicht schon bekannt gewesen wären. Welche Rolle die Pfarrerfamilien
auf dem Dorfe bei der Erklärung der Naturvorgänge gespielt haben,
belegt uns ja auf das schönste Johann Peter Hebel in seinem Gedicht „Das
Spinnlein", wo er das Entstehen des Spinnennetzes und der Fäden beschreibt und
zufügt „und s Pfarrers Christoph het no gsait, sie seie n alli zämmegleit".

Als Träger und Vervielfältiger solchen und ähnlichen Wissens hat das evangelische
Pfarrhaus, schon angesichts der häufig großen Kinderzahlen, sicher eine
bedeutende Rolle gespielt.

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