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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 262
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0080
Hier ist die große Zahl bemerkenswert, die ohne Schulbesuch doch mit großer
Gedächtnisleistung den Anforderungen genügten.

Bei der Gruppe der 41 Unbestimmbaren finden wir Bemerkungen wie:

„kan übel reden" (hat einen Sprachfehler)
„ist schlecht genug beschaffen", „unwissend", „schlecht
informiert", „noch schlecht gegründet", „kann nach ihrer
Einfalt Rechenschaft geben" (darunter 3 junge Einwanderer) 8
„Kann den Catechismus" (6 a. d. übrigen Markgr.) 24
„hat wenig gelernt" 4
ohne jede Angabe 4

Auch die Urteile über den Erfolg des Schulbesuchs sind recht verschieden. Von
„lange krank", „kurze Zeit in der Schule, kann nicht viel" (21), „kurze Zeit in
der Schule, kann den Catechismus" (15), bis „kurze Zeit in der Schule, kann aber
feine Antwort geben" (4) bis „kann den Catechismus perfekt" gibt es hier alle
Abstufungen. Auf kurzen Schulbesuch weisen insgesamt 40 Bemerkungen hin. Von
den übrigen Schülern wird berichtet, daß sie „lesen", „Gedrucktes lesen", oder
„lesen und schreiben" können, bald mit, bald ohne lobende Prädikate. Wohl gibt
es einige tadelnde, aber keine abwertenden Urteile.

Die ständige Wiederholung „kann seinen Catechismus" läßt darauf schließen,
daß alle Schüler einen gedruckten Catechismus besaßen. Offen muß nur bleiben,
ob dies auch für diejenigen galt, die die Schule nicht besucht haben. Von ihnen
(und das gilt auch von den unbestimmten Fällen) konnten mehr als die Hälfte
sowohl den Catechismus wie auch Antworten auf die Fragen dazu. Lobende
Bemerkungen erstrecken sich in Einzelfällen auch auf das Interesse am Singen.
Es muß vorausgesetzt werden, daß diese Gruppen beim Auswendiglernen Hilfe
innerhalb der Familie oder durch gleichaltrige Kameraden, die die Schule besuchen
konnten, hatten.

Leider erfahren wir garnichts über das Vorhandensein von Büchern in der
Gemeinde. Erst aus dem 18. Jahrhundert kennen wir (kirchliche) Umfragen dazu,
die Bestände an Gesangbüchern, Bibeln, Gebetbüchern und religiösen Schriften
nennen, je nach Ort in allen oder den meisten Familien wenigstens eines davon.

i) Gründe für den Analphabetismus

Schließlich sind noch die Verhältnisse zu erörtern, die offenbar Ursache waren,
daß etwa 25 °/o der Jugendlichen nicht zur Schule gehen konnten oder durften.
Weitaus die notvollste und häufigste Ursache war das frühe Verwaisen der Kinder
infolge der geringen Lebenserwartung der Eltern. Dabei war die Chance, sich
wiederzuverheiraten, für die Männer sehr viel größer als für die Frauen. Gmelin
spricht denn auch wiederholt von der „elenden Witwenschaft". Die nächste Ursache
— eine Folge der ersten — war der Zwang dienen zu müssen und zwar häufig
auswärts. Der dritte Grund war das Elend der Kriegs- und Nachkriegsjahre seit
dem 30jährigen Krieg, die Niederschlagung des Bauernkriegs von 1652 in der
Schweiz, Geldentwertung und Arbeitslosigkeit nach Entlassung von Söldnertruppen
, Verfolgung von Wiedertäufern, kurzum Ströme von Wandernden, die
irgendwo Arbeit, ein Unterkommen, eine Existenz suchten unter Umständen, die
den Jugendlichen den Schulbesuch nicht erlaubten. Manchmal kamen zwei oder gar
alle drei dieser Gründe zusammen. Nur ganz selten, in weniger als 3 °/o aller
Fallgründe (d. h. bezogen auf die Gesamtzahl der Gründe) kam es vor, daß Lehrlinge
nicht zur Schule gingen, und in genau gleichviel Fällen wissen wir nicht,
ob sie die Schule besucht haben oder nicht.

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