Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 281
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0099
Der Wortschatz ist in der Mundart vielfach mannigfaltiger. Nehmen wir das
Wort Kopf. Dafür gibt es in den Mundarten Köpfli, Möckel, Mockes, Molli,
Mölli, Riebel, Kürbis, Apfel, Birne usw. Dasselbe gilt für Hand, Fuß und viele
andere. Auch haben wir andererseits für mehrere Wörter nur einen Begriff.
„Knopf" ist bei uns der Knopf, der Knoten und die Knospe. In mancher Beziehung
ist der Dialekt auch ärmer. Wörter, die man nicht braucht, werden auch
nicht verwendet. Dazu wird gerade in unserem Sprachraum viel mit „tun" gemacht
. In der Rechtschreibung tritt die Barriere aber am deutlichsten zutage.
Während die Hochsprache bestimmte Gesetze für die Rechtschreibung hat, hat die
Mundart meist nur Schreibgewohnheiten, es gibt kein exaktes Schreibrecht, keine
Gesetzmäßigkeit.

Haar = Hoor, Waage = Woog, aber Salat und Saat bleiben. Das kommt mit
auch daher, daß die Mundart selbst jeweils nur in einem kleinen geografischen
Raum zuhause ist. Ich denke dabei an meine Heimat im Schwarzwald und im
Hegau, wo ich aufgewachsen bin. Im Hegau z. B. hat jedes Dorf seinen eigenen
nicht zu verkennenden Dialekt, vor dem Krieg konnte man fast jedem auf den Kopf
zusagen, aus welcher Gemeinde er stammt. Sogar innerhalb größerer Gemeinden
gab es feine Unterschiede, man konnte sagen, aus welchem Ortsteil vermutlich
der Sprechende sein könnte. Das konnte aber nur das geübte Ohr. Ein Fremder
hörte die Unterschiede nicht. Die Rechtschreibung ist auch daher so schwierig,
weil auch Wörter, die „gleich" gesprochen wurden wie in der Schriftsprache,
„anders" gesprochen werden. „Turm" = Dürrn, „Paß" = Baß. Der Lehrer muß
selbstredend versuchen, die hochdeutsche Rechtschreibung zu sichern. Daran gibt
es keinen Zweifel. Es ist schon schwierig, weil die kleinen Schüler u. U. nicht das
hören, was tatsächlich vom Lehrer gesprochen wird, sondern das zu hören glauben,
was dem Lautbestand ihrer Heimatsprache entspricht. Die Diktiersprache des
Lehrers wird daher zuerst die landschaftliche Hochsprache sein, sie muß aber
nach und nach immer mehr in die allgemeine Hochsprache übergehen.

Auch in der Grammatik sind natürlich starke Unterschiede. Ich denke dabei
nur an das fast vollkommene Fehlen der Vergangenheit in unserer Heimatsprache
. Auch der Plusquamperfekt fehlt völlig, eine andere Beugung wird vorgenommen
, Wörter werden verstümmelt, Vorsilben (ent) weggelassen. Andere
Verkleinerungsformen sind vorhanden, falsche Geschlechtswörter usw. Es wäre eine
Abhandlung für sich, wollte man nur teilweise alle Unterschiede herauskristallisieren
.

Schon oft habe ich mir Gedanken gemacht, wie es zu der Verschiedenartigkeit
der Sprachen und Mundarten kommen konnte. Die Landschaft mit all ihrer Vielfältigkeit
muß dazu beigetragen haben. Ist nicht im sonnigen hellen Süden die
Sprache klangvoller als im rauheren Norden? Zutiefst muß hier eine Bindung
bestehen. Es ist deshalb, so notwendig es ist, schon eine gewisse Vergewaltigung,
wenn das Kind seinen Dialekt ablegen und eine ihm relativ fremde Hochsprache
lernen muß.

// Ländliche Grundschule
von Fritz Muser

Dialekt — damit ist in diesem Fall natürlich unser alemannischer gemeint —
und Schule ist ein Problem, das Kindern, Eltern, Lehrern und Lehrmeistern zu
schaffen macht; dem einen mehr, dem andern weniger. Oft liegt das an der
persönlichen Einstellung.

Dialekt und Schule ist ein so vielschichtiges Gebiet, daß es hier nicht erschöpfend
behandelt werden kann. Es wäre einer Dissertation wert. Oft könnten einsichtigere
Lehrer hier Schwierigkeiten beseitigen und Entwicklungshilfe am Kind

281


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0099