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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 287
(PDF, 38 MB)
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fahrungen der eigenen Praxis widersprechen hier allen Befürchtungen.

Der Zielkonflikt zwischen der Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit
einschließlich der erworbenen Regionalsprache einerseits und der Förderung
der einheitlichen Hochsprache andererseits kann daher überwunden werden.
Nur, dies bedarf einiger Anstrengungen und der Überwindung der Gleichgültigkeit
, die heute diesem für die Kinder und Eltern des alemannischen Sprachbereichs
existentiellen Problem von Seiten der offiziellen Pädagogik, der Schulverwaltung
und der Bildungspolitik entgegengebracht wird. Und dies trotz modischer Dialektrenaissance
!

Begegnungen mit alemannischen Wörtern

von Hubert Baum
U n-teine

Im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges war eines meiner ersten Gedichte vor
die Augen von Ernst Ochs geraten. Wie man weiß, war der bekannte Sprachforscher
nicht nur Mitbegründer und erster Bearbeiter des „Badischen Wörterbuchs"
sondern auch Dichter. Leider sind viele seiner Dichtungen zu Ende des Krieges
verloren gegangen, doch weisen ihn seine Operntexte „Kädmon" und „Petronius"
sowie seine Kurzgeschichten „Streng geheim" als einen Poeten von Rang aus. Wie
gesagt, „E chleini Strickerei" hatte es ihm angetan, und so trafen wir uns dann
und wann und kamen uns freundschaftlich näher; man könnte sagen: es war ein
Verhältnis wie zwischen Vater und Sohn. Professor Ochs machte mich auf besondere
Eigenheiten des Alemannischen aufmerksam, rief und half und wies manches
zurecht.

Als ich zum ersten Mal in der Dreikönigstraße in seiner Studierstube war, holte
er ein Büchlein vom Bord und schenkte es mir. Er hatte es 1924 herausgegeben
unter dem Titel „Die Uhrenmacher im Schwefeldobel". Es war das Hausbuch des
Schwarzwälder Uhrenfabrikanten Oskar Furtwängler, geschrieben in einer prachtvollen
echten Prosa, die sich als eine natürlich gesprochene Mundart darbot. Während
ich dieses Büechli las, wurde mir klar, warum in unserer heimischen Dialekt-
Literatur so wenig Prosa vorhanden ist: Sie ist schwerer zu schreiben als taktierte
Zeilen. Im Vers ist eher ein Abweichen von der Syntax möglich und erlaubt.
Denken wir nur daran, daß das Alemannische im allgemeinen kein Futurum
(Zukunftsform) kennt. Es heißt: „Er chunnt", nicht „er wird chu", auch sagt der
Alemanne: „Jetz ha n i s, bi Gelt, loo lige!", nicht „. . lige loo!" und: „S isch so
schön, aß i s chönnti mole", nicht „... mole chönnti" und anderes mehr. In der Prosa
können, ja sollen, auch die üblichen Interjektionen (Ausrufeworte) gebraucht
werden, die oft im Rhythmus ernster Verse keinen Platz haben.

Ich las in diesem Büchlein mit Wißbegierde und konnte auch die damals schon
angelegte Wörtersammlung ziemlich erweitern. Auf den ersten Seiten schildert
Furtwängler sein Heimethus mit dem Holzschopf, dem Loubegängli und dem Käer
(Keller), wo die Sandleigi, das Sandlager für die Rüben war, und da steht es
dann: „Do häiße mer s „Un-teine". So las ich: „Un-teine". Das Wort war mir
unbekannt, wie wohl auch manchem, der dies so liest. Merkwürdig: „Un-teine" —
woher denn dieses „Un-"? Und was soll das „-teine"? Womit nur ist diese „etymologische
" Neugier zu erklären, die manchen Mundartsprecher befällt, sobald
ihm ein besonderes Wort begegnet ist? Wir haben für ein solches Tun sogar ein
eigenes Wörtchen: „Er förschelt!" und so „förschelte" ich: „-teine"? — mit dem
gotischen „Atta unsar thu himinam, weihn namc thein . . .", diesem „thein" kann

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