Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 288
(PDF, 38 MB)
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es nicht zusammenhängen. Das „Atta" ist wohl der Vorläufer unseres „Ätti"
(Vater), auch hat das Gotische für einen solchen „Förschler" manches, das er mit
dem Alemannischen vergleichen mag: Dort wie hier ist die Liebe zum I und —
fast könnte man sagen — eine Abneigung gegen das E zu erkennen. Ich vertiefte
mich ins Wörterverzeichnis des „Ulfila", einer Arbeit von 1858 über den „Codex
Argen tum", die Ulfilas-Bibel, von der man im April 1971 im Speyrer Dom noch
einen Teil zu den bisher bekannten fünf Handschriften entdeckt hat. Da fand ich
„tains", Zweig und „tanjo", Korb. Aha! Das muß also mit unserer „Zeine"
zusammenhängen! Zeinen bewahrt man unten im Haus . . . „unten" — Halt!
nein! — „unten". Der Leser wird es sicher eher als ich gemerkt haben: „unten",
das ist die ganz einfache Lösung, so einfach, daß es wirklich zum Lachen ist; man
muß das gesuchte Wort nur richtig lesen: „Unte-ine" — unten hinein, der tiefer
gelegene Hausteil!

Ja, etymologisches „Förscheln" verleitet manchmal zu phantastischen Bocksprüngen
.

Umbletz

Auch in Freiburg gibt es für einen, der im Dorf aufgewachsen ist, heimelige
Dinge, man muß, sie erleben zu können, nur dreimal Glück haben. Und daraus
ergab sich die Begegnung mit diesem alten, selten gehörten Wort.

Der erste Glücksfall für mich war, daß ich mein Haus auf einer Südhalde bauen
konnte, etwas außerhalb der Stadt am Wald, wo die „Ronepopper", die Spechte,
übermütig an die dürren Äste der „Kästene" trommeln, die Schnabelkraft zu erproben
, und wo die Rehe in den Garten kommen, um die Rosenknospen zu
frühstücken. Auch der Dachs ist unterm Drahthag durchgekrochen, wie einige
schöne Rasierpinselhaare zeigten. Er hat hier seine Abtritt-Gruben: zwei, drei
handgroße Löcher, für jedes Geschäftchen gräbt er sich ein neues. Daß ich hier
noch Bäuerliches erleben kann, ist mein zweites Glück, denn der „Hebsack", eine
Burerei, grenzt an mein Grundstück, und die Kühe luegen über den Hag. An
diesem repariert eben der Bauer herum, weil sie gestern die Scheien und Schwinglatten
niedergetrampt hatten, um meine Äpfel zu schnäugen. Und das ist gefährlich
, denn Kühe schlucken bekanntlich alles unzerkaut, ehe sie „mäue", wie wir
zum Wiederkäuen sagen, und manche ist „an so me öpfel verstickt", erklärte mir
der Bauer. Ich gehe hinüber: „Grüeß Gott! So, was hänner in der Machi?", sage
ich. Ach, ist das nicht auch ein Glück — das dritte für mich —, daß ich mit ihm
in der Mundart schwätzen kann wie mit der Mutter — selig? Mein Nachbar bruttelt
ein kurzes: „He, flicke halt." Die Unterhaltung besteht aus Wortbrocken,
kurzen Atemstößen, Satzfetzen: „S brucht Armschmalz." „Ha jo, welleweg," und
so fort. Jetzt stülpt er eine Drahtschlaufe über zwei nebeneinanderstehende Pfähle,
von denen der eine lose im Grund steckt. Ich wollte wieder einmal das Wort
„Letsch" hören und fragte: „Wie sage n er jetzt schnell zue so me Ding?" „He,
Droht halt," murmelte er wie abweisend, doch stur frage ich weiter: „Nit Letsch?",
er schaut hoch und sagt: „He nei, e Letsch macht mer mit eme Seil," und als ob
erst jetzt meine erste Frage zuinnerst in ihm angekommen sei und weil er das Wort
„Machi" vielleicht schon lange nicht mehr gehört hat, nimmt er es noch einmal
in den Mund wie einen Leckerbissen: „S isch guet, wemmer allewil ebbis in der
Machi het." Es ist eine Weile still. Man hört drüben im Eichenwäldeli einen Hähre-
vogel schimpfen, da sagt mein Bur: „Ebe fallt s mer ii: Umbletz het als der Groß-
vatter gsait derzue. Er isch Flözer gsii im Kinzigtal, do stamme mer her. Us Wide
het mer en als dreiht so ne Umbletz. „Beglückt gehe ich mit diesem Wort in meine
Stube und schreibe einen Zettel für das Wörterbuch, an dem ich gerade arbeite:
„Umbletz = Doppelschleife aus Weiden zum Zusammenhalten von Hürden oder
Stämmen beim Flößen". Dann suche ich nach dem Ursprung dieses merkwürdigen
Wortes, überlege: „Um-" könnte wohl darumlegen bedeuten? „Bletz" ist an sich
im Alemannischen ein Zeugstück, auch Farbfleck oder Hautwunde. Aber „Um-

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