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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 294
(PDF, 38 MB)
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späteren, abgeschliffenen Form „viler - wiler" aus den Urkunden des 8. und folgender
Jahrhunderte in großer Zahl bezeugt. Es herrscht heute weder Klarheit
über den Zeitpunkt des Aufkommens der lateinischen Form (denn in den karolin-
gischen Capitularien erscheint sie nicht), noch über den Eingang in den französischen
und deutschen Sprachgebrauch. Villa ist jedoch eindeutig etwas anderes als
die adjektivische abgeleitete Form „villaris/villare". Letzteres finden wir nach 800
überall, eine besondere Vorliebe dafür bestand zwischen der ersten Ausbau- und
der späteren Karolingerzeit beiderseits des Rheins. Es konnte Siedlungen aller
Größen zwischen Einzelhof und Dorf bezeichnen 6). Nach dem Ubergang zur deutschen
Urkundensprache im 12. Jahrh. ist das Wort in der Grundform wiler (mit
Abwandlungen) als Namenbestandteil für Siedlungen in den deutschen Sprachgebrauch
übernommen ").

Wie ein Blick auf die nachfolgenden ON-Tafeln zeigt, gehen beide Formen
„villa/wile" und „villare/wiler" im badischen Oberrheingebiet sehr oft durcheinander
. Da wir es hier mit schriftlichen Formen zu tun haben, die zwar stets
die gesprochene Namenform wiedergeben wollen, aber doch auch irrtümliche Formen
verschiedener Schreiberhände enthalten können, bestehen auch hier gewisse
Unsicherheiten, ob die beiden Formen in jener Zeit austauschbar wurden oder nicht.
D. h., daß wir mit Unsicherheit der Schreiber aus Ortsunkenntnis und Unkenntnis
des Sprachgebrauchs zu rechnen haben. In der Regel lassen die durch Jahrhunderte
überlieferten Namenformen die richtige, nämlich die tatsächlich gesprochene Form
erkennen.

Betrachten wir nun die vergleichende Tafel mit Beispielen der Entwicklung
badischer ON auf -wil und -wiler. Im 15. Jahrhundert beginnt der Einfluß
humanistischer Schreibweise mit Einführung des y als Zeichen für ein langes,
geschlossenes i, von den Franzosen i-grec genannt. Wahrscheinlich unter dem
Einfluß der gedruckten Schriften begegnen wir im 16. Jahrhundert in größerer
Zahl den diphtongierten Formen, vermutlich von Schreibern geschrieben, die
entweder als Bürokraten dem schriftsprachlichen System angepaßt oder fremder
Herkunft waren. Denn nebenher geht auch die heute in der Dialekt- oder Umgangssprache
gebrauchte, ursprüngliche Form -wil und -wiler. Da im 16. bis 18.
Jahrhundert eine Normschreibung noch nicht bekannt war, sehen wir barocke
Schreibformen vielfältigster Art, wie Wilen, Wylen, Wyhlen, Weyhl, z. B. mit
doppelter Dehnung. Wyhl am Kaiserstuhl ist lautlich völlig identisch mit Wil
(Herrschaft Rötteln) oder dem Wil im Toggenburg. Wyhlen, Kr. Lörrach, ist
gleichlautend mit dem zweiten Teil des ON Münchwilen bei Stein am Rhein.

Die Schweizer haben für diese Gattung der ON konsequent den Laut der gesprochenen
Namensform als amtliche Form übernommen. Deshalb heißen die
-wil und -wiler-Orte stets auch so. Hier ist allerdings zu beachten, daß ältere
-wiler-Formen sich zu -wil verkürzt haben. Dies ist z. B. in der Basler Landschaft
bei der Mehrzahl der heutigen -wil-Orte der Fall, wo wir die ältere Form meist
noch im 15. Jahrhundert vorfinden. Einzelne ON, nämlich Allschwil, Oberwil und
Terwil, zeigen die -wiler-Form noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die späte
Änderung könnte hier aus Gründen der Vereinheitlichung auch unter amtlichem
Einfluß erfolgt sein. Es wäre zu prüfen. Aber die in amtlichen Schriftstücken und
bei Wissenschaftlern (z. B. Daniel Bruckner7)) jener Zeit häufig zu findenden
hochdeutschen Formen auf -weil haben sich, weil nicht landesüblich, nicht durchsetzen
können.

Besonders interessant sind die elsässischen ON auf -wiler und -wihr. Sie entsprechen
völlig den ebenfalls aufgeführten badischen Parallelformen. Auch die
letzteren sind — meist, aber Vorsicht ist geboten, weil es auch echte -weiher-
Formen gibt — im allgemeinen ebenfalls wiler -weiler-Orte. Auch hier sind die
alten Dialektformen urkundlich belegt, auch hier zeigt sich eine Periode des Versuchs
, die Namen der schriftsprachlichen Diphtongierung zu unterwerfen, indem
man die amtlichen Formen mit -weil, -weiler, -weiher einführte. Das h in der
Form „Weiher" ist zudem, wie gesagt, sprachlich meist falsch, weil hier das voraus-

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