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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 295
(PDF, 38 MB)
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gehende -wiler das -1- durch Kontraktion oder Synkope verloren hat. Die heutigen
amtlichen französischen Formen berücksichtigen jedoch, so gut dies auch für französische
Zungen geht, die gesprochenen Lautformen. Die -wiler- und -wihr-Formen
sind also auch hier erhalten geblieben. Einige Beispiele dieser historischen und
neuen Formen sind in der Tabelle enthalten. 12)

Wir empfehlen dem Leser vor allem das Studium der letzten Spalte der Tabelle,
in der die heutigen amtlichen Schreibweisen enthalten sind. Sie zeigen, daß es
sich vielfach um ganz zufällige, willkürliche Schreibweisen handelt, die irgendeinem
einmal maßgebenden Bürokraten, der zu den echten, gesprochenen Ortsnamenformen
allzu häufig keine Beziehung gehabt hat, zu verdanken sind. Eine
Norm ist allenfalls bei landesunüblichen, diphtongierten Formen zu erkennen,
während der tatsächliche Lautstand (in der zweitletzten Spalte) die erhaltene alte
Form zeigt. Nur auf der deutschen Seite unseres Dialektraumes haben es die
Behörden fertiggebracht, die gesprochenen Formen der ON zu vernachlässigen und
gebietsfremde Formen vorzuschreiben, wobei auch barocke Fantasieschreibungen
(Wyhl, Wyhlen) ohne jeden sprachgeschichtlichen Bezug übernommen worden sind.

Man könnte nun auch sagen, es sei schöner und zur Unterscheidung praktischer,
nicht alle gleichen Formen auch uniformiert zu haben. Wo aber bleibt dann die
bei ON wichtige Rechtschreibung? Wenn auch gerade die ältesten Urkunden die
gesprochene Form betonen, mit der Formel etwa „so man sprichet Wile", ist es
heute doch müßig, Änderungen falschgewählter amtlicher Formen anstreben zu
wollen. Allenfalls bei Neubildung amtlicher ON-Formen sollte man darauf
achten, solche Fehler zu vermeiden. Im übrigen sind amtliche Ortsnamen nur in
den seltensten Fällen noch zu verändern.

Aber über eines sollte man sich klar sein: Schriftformen haben im Zeitalter der
Massenmedien, der geschriebenen und gesprochenen, auch Rückwirkungen auf die
Aussprache der Namen. So wird Wyhl (auch in Freiburg) bald einmal „Wühl"
heißen und die Leute werden glauben, es werde nur deshalb mit vornehmem Ypsilon
geschrieben, weil Wühl sich gar nicht schön macht. Nur durch Zufall sind wir
der amtlichen Diphtongierung des ON Wittlingen zu Weitlingen entgangen, denn
diese Form begegnet uns in Akten und Belegen des 17. und 18. Jahrhunderts sehr
häufig. So dürfen wir heute noch Wittlingen sagen, wer weiß, wie lange uns das
Wil für Weil am Rhein noch erlaubt sein wird. Der ON Rötteln hat einen, allerdings
nicht auffälligen, Wandel — uns nicht mehr bewußt — schon hinter sich. Er
ist von altem Rötelen, Rötlen mit langem geschlossenem ö (abgeleitet von Rotin-
leim) zu kurzem, geschärften Rötteln geworden, das uns seine Herkunft fast
verbirgt. Eine Folge der besonders im 17. Jahrhundert modischen Sucht der
Schreiber, alle Konsonanten zu verdoppeln8). Nur in Basel hat sich die alte
Aussprache erhalten, weil man dort mit den „amtlichen", geschriebenen Formen
wenig zu tun hatte.

Noch kurz eine Bemerkung zu den adjektivischen Formen von ON. Bei uns
kennt jedermann den Unterschied zwischen den schriftsprachlichen Adjektivbildungen
z. B. von Binzen, Auggen, Eggenen, Holzen und den Dialektformen
Binzewer, Auggewer, Eggewer, Holzewer. Auch hier zeigen die Dialektformen
die echten, sprachgeschichtlich richtigen Formen an. Hier haben wir es mit -heim-
Orten zu tun, sie hießen früher Binzheim, Ougheim, Eggenheim, Holzheim,
Formen die sich zu Binze, Augge usw. abgeschliffen haben. Schriftsprachlich wurde
ihnen ein -n angehängt. In anderen Fällen wie Schöpfe, Mülle, Grieße kannte man
die alte -heim-Form noch, die dann amtlich wurde. Auch hier ist das Dialekt-
Adjektiv — Schopfemer, Müllemer — noch die gängigere (und flüssigere) Form.
In Riehen bei Basel (früher Rieheim, Riecheim) hat man seit einiger Zeit die
Folgerung gezogen und schreibt häufiger (immer mehr?) das Adjektiv Riehewer.

Auch sonst kann man Adjektivbildungen von ON beobachten, die nicht von
den geschriebenen hochdeutschen Namenformen abgeleitet sind, sondern ältere
Formen wiedergeben. Bekannt sind Basler, Zürcher (auch als Personennamen),
Münchner. Das Anhängen eines Endungs-n in der schriftlichen Konvention bei

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