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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 296
(PDF, 38 MB)
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vielen Ortsnamenformen gilt offenbar auch für die -ingen Orte. Das Adjektiv-
Suffix wird hier nicht an die ON-Form angehängt, die sonst etwa Hertingener oder
Tüllingener heißen müßte (die Regel gilt für echte und unechte -ingen-Orte). Das
Adjektiv-Suffix „-er" wird an die Form des Sippen-Namens Herting-er angehängt
, bzw. an den entsprechenden Wortstamm mit der Endung -ing, -inge. Daß
die ältesten Formen der ON auf -ingen tatsächlich -inge hießen, zeigt ein Blick auf
die schwedischen ON, wo die -ingen-Orte sehr zahlreich vertreten sind, aber
— mit ganz wenigen Ausnahmen — stets in der Form -inge. Die bayerischen
Formen dieser ON-Gattung haben sich von da aus zu -ing verkürzt. Und in der
alemannischen Form fehlt das Endungs-n wie im Schwedischen 9) Ähnliches gilt
für den ON Kandern und das daraus gebildete Adjektiv. Aus ältestem Cantara
hieß der Ort stets Chander, gelegentlich Chandere. Die Form Kandern ist eine
späte schriftsprachliche Form mit angehängtem -n. Das Adjektiv hieß dementsprechend
immer Chanderer, wie d'Chanderer Bretzeli und s'Chanderer Bähnli.

Damit sollte dargelegt werden, daß in der Sprachgeschichte die Schriftsprache
eine sekundäre Rolle spielt. Diese Tatsache kann natürlich den Rang der Schriftsprache
nicht schmälern. Aber für das Verständnis der eigenen Hochsprache ist die
Sprachgeschichte der Dialekte morphologisch und semantisch 10) unentbehrlich.
Ihrer Sprachgeschichte kommt die grundlegende Bedeutung zu. Deshalb ist es in
vielen Fällen möglich und richtig, die besseren Dialektformen wenigstens im
regionalen schriftlichen Gebrauch zu übernehmen, vor allem, wenn sie eingängig
und flüssiger zu sprechen sind.

Anmerkungen:

(1) Im folgenden abgekürzt ON.

(2) Wolf Dieter Sick „Siedlungsschichten und Siedlungsformen", hrg. vom Alemannischen
Institut in Freiburg i. Brg.

(3) Heinrich Löffler, s. Lit.-Verzeichnis Nr. 1)

(4) mhd hüs wird haus, min wird mein.

(5) O. Eisenstuck, „Weil" in Beiträge z. Namenforschung 1953.

(6) Heinrich Löffler, a. a. O. S. 34/35.

(7) Daniel Bruckner, s. Lit.-Verz. Nr. 5)

(8) Diese Mode wird z. B. dadurch erklärt, daß die Drucker damals nach der Zahl der
Buchstaben bezahlt worden seien. Die gleiche Erscheinung finden wir jedoch auch
in den Handschriften. Ob nun die gedruckten Schriften die Schreiber, oder diese die
Drucker beeinflußt haben, sei hier dahingestellt.

(9) Es muß hier allerdings betont werden, daß die schwedischen ON auf -inge meist nicht
mit Personennamen gebildet sind. Der schwedische Typ scheint 1—200 Jahre älter zu
sein, als der unsere. Dies dürfte durch die längere Wanderungszeit der Sueben-
Alemannen bedingt sein.

(10) Morphologisch und semantisch: nach der Form und der Bedeutung.

(11) Es handelt sich hier um eine zufällige, unsystematische Auswahl. Vollständigkeit
ist im Rahmen dieses kleinen Aufsatzes nicht möglich. Es kam auch nicht auf die
vielfältigen Abwandlungen des Bestimmungswortes an, sondern allein auf die Entwicklung
der Grundwörter -wil, -wiler und ihrer Abweichungen zu -wiler und -wil.

(12) Elsaß: Auf der Suche nach W;7-Orten bei Clauss (Lit.-Verz. 4) fiel auf, daß diese
Form jedenfalls heute anscheinend nicht vorkommt. Es wäre systematisch zu prüfen,
ob sie auch in allen alten Belegen fehlen — ich habe bei kurzer Suche keine gefunden
. Da das Elsaß nach Cäsar bis 406 n. Chr. römische Militärzone war, wäre
dies für die ON-Forschung ein bemerkenswerter Umstand.

Literaturverzeichnis: Heinr. Löffler: „Die Weilerorte in Oberschwaben" eine namenkundl.
Untersuchung, 42. Bd. der Reihe B der Veröffentlichungen der Kommission für geschichtl.
Landeskunde in Baden-Württembg., Stuttgart 1968. — Langenbeck: Alem. Jahrbuch 1954.
Albert Krieger: „Topographisches Wörterbuch für das Großherzogtum Baden", Heidelberg
1898. — Jos. M. B. Clauss: „Historisch-Topographisches Wörterbuch des Elsaß", Zabern
1895. — Daniel Bruckner: „Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel" (Reprint 1968-1974).
Veronika Gerz v. Büren: „Geschichte des Clarissenkloster St. Clara in Kleinbasel", 1266-
1529", Basel 1969. — Brigitte Degler-Spengler: „Das Clarissenkloster Gnadental in Basel,
1266-1529", Basel 1969; sowie Belege aus Handschriften d. Bestände des Stadtarchivs Basel.

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