Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 300
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0118
Die Justiz und die alemannische Sprache

v. Chr. M. Vortisch

Wir erhielten einen Ausschnitt aus einer ungenannten Zeitung, datiert Freiburg,
4. Juni (1975?) zugesandt. Die Notiz, von Tim Cole ,gibt einige Beispiele von
Beleidigungen gegenüber Polizisten wieder, die der Freiburger Oberpolizeidirektor
Wolfgang Lang als häufigste aus Gerichtsakten zusammengestellt habe. Die
Bewertung der Schwere der Beleidigung dürfte sich aus den ebenfalls mitgeteilten
Straf urteilen ergeben. Hier das Ergebnis:

„Scheißbulle" kostete 180 Mark
„Stinkstiefel" 210 Mark
„Arschloch" 250 Mark
„Drecksack" 300 Mark
„Rowdy" 300 Mark
„Zigeuner" 300 Mark
„Du Schwein" 300 Mark
„Junger Triebel" 400 Mark

Beim letzten Ausdruck fand es die Zeitung für nötig zu erläutern: „alemannischer
Ausdruck, bedeutet „junger Nichtsnutz".

Jeder Alemanne empfindet den „junge Tribel" bei weitem als den harmlosesten
aller genannten Ausdrücke, nicht einmal als Formalbeleidigung. Einen
jungen Trübel oder Tribel nimmt man lediglich nicht ganz für voll. Es fehlt ihm
an Reife. Da aber unklar blieb, ob die Worterklärung „junger Nichtsnutz" aus
den Gerichtsakten, vom Polizeidirektor oder vom Journalisten stammt, baten
wir Herrn Lang um Auskunft darüber. Dabei erfuhren wir, daß der „junge Triebel
" nur einer von mehreren Ausdrücken sei, die als beleidigend so hart bestraft
wurden. Eine Begründung dafür, warum „junger Triebel" als Formalbeleidigung
gewertet wurde, und eine Worterklärung fehlten in den Gerichtsakten. Der Polizeidirektor
gestand in sympathischer Offenheit, er selbst habe geglaubt, das
Wort „Triebel" sei von Trieb abzuleiten. (Der junge Nichtsnutz stammt vom
Journalisten).

Trübel und Tribel ist bekanntlich unser Wort für Traube, in Baden bis
Rastatt sprachhistorisch gesichert, ostalemannisch dagegen ist Trübe. Hubert Baum
in seinem „Alemannischen Taschenwörterbuch für Baden" erwähnt Trübel und
„junge Trübel" nicht. Greifen wir also zum Schweizerdeutschen Wörterbuch'
(Idiotikon), das — bis zur Fertigstellung des Badischen Wörterbuchs — auch
für unsern hochalemannischen Raum unbestrittene Autorität ist und wichtige
Belege bringt. Im „Bericht über das Jahr 1975" findet sich ein lesenswertes Kapitel
über einige Wörter der neuesten Folge zum Buchstaben t, auch zum Trübel. „Mit
Trübel, meist in der Fügung „e junge Trübel", bezeichnet man in vielen Mundarten
einen „Burschen", ein „Bürschchen", auch einen „Rekruten". Diese letztere
Bedeutung ist erst seit etwa 1920 bezeugt. Außerdem heißt es hier: „Von einem
wilden und widerspenstigen jungen Burschen kann man mundartlich ebenfalls
sagen, er sei ein „Tribel": „Der Bueb isch e rächte Tribel worde, er het g'wüß
mängergattig Stücki ag'stellt", heißt es etwa bei Hans Rudolf Balmer."

Daraus ergibt sich nur ein Schluß, der leider nicht nur bedauerlich, sondern
auch bedenklich ist. Die falsche Schreibweise des Wortes Tribel mit ie gibt den Hinweis
, daß nicht nur hohe Behördenchefs, sondern auch Gerichte eine mangelhafte
Kenntnis der Landessprache und geringe, an Fahrlässigkeit grenzende
Sorgfalt bei der Bewertung volkstümlicher Ausdrücke zeigen. Dem „junge Tribel"
fehlt vor allem die ordinäre Gesinnung, die Agressivität, die versteckte Gewalttätigkeit
von Wörtern wie Scheißbulle, Drecksack, Rowdy, Schwein. Ganz ab-

300


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0118