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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 316
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0134
der Ruf an die deutsche Seele ergehe, Europa als eine All-Seele zu schauen und
zu künden: ein Vielgebilde, einen Chor von Einzelseelen, von Volkheiten, die zu
pflegen seien, wenn Europa dem zu erwartenden Aufbruche der gebärstarken
farbigen Völker gewachsen bleiben wolle!

Wer nur das Markgräfler Land, wer nur Deutschland — ach das zu meiner
Zeit so zerrissene! — sehen wolle, sagte der „Hausfreund" Jahr um Jahr, wer
nicht Frankreich und Italien, England und Rußland, Spanien und Schweden, wer
nicht Asien und Afrika, das ferne Australien und Amerika mitsehe, indem er
Lörrach sage oder Freiburg und Karlsruhe, oder Berlin, Königsberg, Köln und
Rom, der werde fußkrank im dritten abendländischen Jahrtausend an den Gräben
seiner weitreichenden Straßen liegen bleiben und verkommen!

Siehst Du: aus bloßem Welthandel, den Deine Vätergeneration für das Einigende
hielt, wie es die irregeleiteten Enkel wieder tun, kam ja das, worunter Du,
die Rede an meinem Gedenktage vorbereitend, leidest: das Chaos, über das wir,
die Ewigen, zwar nicht erschrecken — wir weilen ja im Jenseits des Presse-
Geredes —, das mich aber zwingt, an diesem Maimorgen eindringlich mit Dir zu
sprechen.

Was ist schon ein Völkerbund, was irgend ein scheinbar zu regierendes Rechts-
Gebilde, wenn alles ringsum demoralisiert, demagogisch, terroristisch, ventillos hinter
Masken brütet und wütet? Was gelten Verträge? Sind nicht Zweckverbände,
wie nach dem 1. Weltkrieg Rudolf Pannwitz meinte, einer der Deutschen, an denen
wir, die Ewigen, unsere Freude hatten und haben — seitdem er unter uns weilt —
Du solltest Dir Deine Flugblätter aus jenen Jahren besorgen — sind nicht Zweckverbände
nahezu Mördergruben? Jedenfalls sind sie keine Zellen organischen
Lebens: jenes Lebens, das Mann und Weib in der Wandlung zu Vater und Mutter,
das Kind als Symbol, Familie als Zelle, Nachbarschaft, Gemeinde als selbstverständliche
Binde- und Bildeglieder will, die sich finden im Markgräfler Lande als
einem trächtigen Gliede Badens, das hinwiederum mit seiner vollen Eigenart
Zelle des Rheinlandes zu sein hat, wie dieses gleich Frankreich und Italien und
den anderen Ländern durch die in ihnen beheimateten Menschen Glied einer aus
Volkstümern erwachsenden übernationalen Einheit sein muß.

Weißt Du, daß gegenüber dem Kommenden nur in einer solchen Einheit die
Magie eines mächtigen Gestaltwillens pulsen kann?

Eine übernationale Einheit — ja, die kann leben: sie wächst aus erdgebundenen
Wurzeln. Was wäre ein Wald, dessen Wipfel Du in die Erde stecktest, um die
Wurzeln in den nahrungslosen Weltraum ragen zu lassen?

Die internationale Einheit, von der die blassen Begriffler klugschwätzen, erweist
sich, soweit die Geschichte mich sehen läßt, stets als ein Kartenhaus, das
beim geringsten Gewaltstoße zusammenbricht.

Du hast recht, wenn Du, Deine Rede einleitend, sagen willst — ich sehe Dir
bis auf den Grund Deiner Seele —, ein blockfestes Europa sei notwendig, den
endgültigen Einbruch der schon begonnenen neuen Völkerwanderung und ihrer
nahezu unvorstellbaren Barbarei aufzuhalten. Der imperialistische wie der sozialistische
Internationalismus wollen ja dieses grauenhafte Wandern zwischen Peking
und Madrid, Island und Ceylon oder Polynesien. Sagen sollst Du, daß es gilt,
wie ich eben meinte, sie aufzuhalten oder sie, wenn das nicht mehr möglich sein
sollte, abzufangen und zu gestalten.

Erinnere Dich des Wortes, das ich einmal schrieb.

„Schaffe eine neue Welt", heißt es, „so lange noch Frist zu ihr ist und der
alte Luzifer das Schöpferische in Dir nicht abgewürgt hat!"
Was widerlich sei?

Eben fragtest Du das in Dich hinein, wohl weil Du seit Wochen nichts anderes
liest als das „Schatzkästlein des Rheinländischen Hausfreundes", darin jeder
Handelnde als gliedhafter Lebensbejaher erscheint.

Widerlich ist, meine ich, der Zynismus Deiner Zeitgenossen, ihre innere Feigheit,
das Anbeten des Wirklichen, das bekanntlich stets nur ein Viertel der Wahrheit ist.

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