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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 317
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0135
Widerlich ist die verantwortungslose Art des Denkens, das Schielen zum
Geldsäckel oder zum Staatsesel.

Das sind Todsünden des Geistes, der ja doch der einzige Retter und stärker ist
als eine Armee oder ein kaiserlicher Herr.

Das lehren Dich meine Geschichten, ob sie in Lissabon oder Pensa, zu Falun,
Oslo oder Amsterdam, in Algerien, Persien oder sonstwo im Morgenlande, ob sie
am Rhein, Ebro oder am Nil und zwischen Euphrat und Tigris spielen. Er, der
Geist — das Feuer aus der Höhe, mit Heraklit zu sprechen — ruft: „Deutscher,
rette Dich selber! Wenn Du Schande in Dir spürst, wenn Du Dein Versäumen
sühnen willst: sei Du, sei ganz ein Deutscher und werde kein Fremdling in Deinem
Markgräfler Lande, auf der Bayrischen Hochebene, in der sandigen Mark, in Ostfriesland
oder Schleswig, in Thüringen! Rette Dein Reich, das Innen, Dein Ewiges!
Erfasse den Faden Deiner Geschichte und lasse Dich nicht tören von denen, die
Eintagsfliegen sind und nicht wahrhaben wollen, in welchem Maße Du tausend
Jahre lang, mit Blut und Sinn die europäische Kultureinheit gestaltetest!"

Mir war, was wir Volkstum nennen, heilig, und als der Geheimrat von Weimar,
als Goethe über meine alemannischen Gedichte geschrieben hatte, kam ich mir
wie ein Ritter vor, den ein König zum Fürsten macht!

Sei, mein lieber Freund, wie ich, radikal: das heißt, schöpfe gleich mir aus
Wurzeln und sage denen, die Deiner Rede lauschen werden, dies sei das, was ich
von meinen Markgräflern und allen vernünftigen Europäern erwarte: daß sie
radikal in diesem Sinne würden!

Die Markgräfler müßten es sein, die Deutschen diesseits und jenseits des merkwürdigen
Gebildes, das heute „Eiserner Vorhang" heißt, aber auch die Briten, die
Franzosen, die Russen und Polen — alle, alle: radikal in dem Willen, sich zu erneuern
aus dem Heiligen- aus dem Heilenden ! Dann wird Europa ein
übernationaler Wille. Mit dem dürren Internationalismus bleibt es, was Pannwitz
meinte: Baracke auf Abbruch mit zwei Haushälften — einem Klubhause und einem
Armenhause!

Kot läßt sich nicht mit Kot abwaschen. Gute Tage stehlen das Herz, und
verlorene Ehr' kehrt nimmermehr. Dazu ist ein Ei im Frieden besser als ein
Ochs im Krieg, wie die aufgehende Sonne mehr Anbeter hat als die untergehende!

Sage auch dies noch, wenn Du mich richtig deuten willst: daß nur der sich
mit anderen verbinden darf, wer mit sich selber verbunden ist. Es ist nicht Aufgabe
Besiegter, die Sieger zu verändern, wohl aber bleibt es des Besiegten Aufgabe,
sich zu verwandeln, auf daß durch ihn der Mensch wieder zum Menschen finde.

Das zu bewirken, war meines Dichtens schönstes Ziel.

Ich sehe in ihm des neuen Weltalters vornehmste Aufgabe, und darum freue
ich mich, zu erkennen, in welchem Maße Du Dich mühst um meinen Gedenktag.

Wir vom Basler Knie, Alemannen, die teils Schweizer, teils Elsässer, teils
Franzosen, teils Deutsche sind, wissen, was dieses Sich-Finden im Menschlichen
bedeutet, stärker als andere: wir leben seit je an Grenzen und sind — darf ich
es sagen? — Ur-Europäer, eigentlich schon seit Cäsars Zeiten, der uns das Eingeborene
, die Verantwortung nämlich, zwischen Völkern und Rassen wohnen zu
müssen, nicht abnehmen konnte, dessen römischem Bau-Willen wir zu eigenwillig
waren.

Wie armselig entlaßt Ihr heute Eure Jünglinge und Mädchen aus den Schulen
aller Art: bilderlos in bezug auf ihre Herkunft, auf die Volkheit, welches Wort
nicht ich prägte sondern „Er", den ich eben nannte: Goethe. Tragen sie in sich den
Willen, Volk zu bilden und so tätiges Glied der Weltschöpfung zu werden, einen
echten Lebenssinn zu verwirklichen? Was lebt ihnen von den, meiner Werkzeit noch
gegenständlichen Lebensbildern des Volk-Werdens? Sind sie gewillt, im Sog der
Fremdmächte ihr Volk nicht zu verleugnen, sondern Träger der vier großen „S"
zu sein: der Sprache, des Stammes, des Siedeln, der Sitte?

Du kennst doch das Wort des mir lieben Heraklit, der schreibt: „Kämpfen
soll das Volk um sein Gesetz gleich wie um eine Mauer!"

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