Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 351
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0169
auf die Rolle des Motivlieferanten für vordergründige und eindeutige Bilder zurückzubinden
. Es fehlte nicht an Protesten gegen die in der Euphorie verfeinerter
Reproduktionstechnik ins Kraut schießenden illuminierten Prachtausgaben. Friedrich
Theodor Vischer äußert in einer Rezension von 1861 Bedenken gegen die
Illustration von Lyrik, dagegen, daß „die individuelle Auffassung des Künstlers,
dem äußeren Auge als wirkliches Bild fixiert, auf demselben räumlichen Felde mit
dem Text vereinigt, in einem plötzlichen Ruck mit der dehnbaren, flüssigen, durchsichtigen
Natur des Bildes zusammentrifft, das dem innern Auge unserer Phantasie
mit unbefestigten Umrissen vorschwebt" 4). Und Adalbert Stifter, der übrigens
von zwei Titelvignetten Ludwig Richters zu den „Bunten Steinen" gar nicht
erbaut war, hat im selben Jahr geschrieben: „Es ist die mißlichste Sache, die Unendlichkeit
der dichterischen Einbildungskraft, die auch die Unendlichkeit der
lesenden wach ruft, in ganz bestimmt umschreibenden Linien zu bannen, welche
durch die eine Anschauung, die sie bringen, jede Unendlichkeit ausschließen" 5).

Wie weit sich das Poetische ins Malerische herüberholen läßt, ohne daß das
eine das andere zerstört, wie weit die ländliche Mythologie Hebels sich zeichnen
läßt — das dürfte vor allem von den Fähigkeiten des Künstlers, von seiner Bescheidenheit
und seinem Wissen um die geschilderte Problematik abhängen. Auf
eigenartige Weise ist es Moritz von Schwind gelungen in seiner einzigen Hebel-
Illustration, dem ganzseitigen Blatt zum „Habermus" 6). Zwar gibt er im untern
Teil seiner Zeichnung eine fast überreiche Zahl genau beobachteter, realistischer
Details, die aber für einen Städter bereits mit der Poesie des Ländlich-Idyllischen
behaftet sind. Und das phantastisch verschlungene künstlich-natürliche Rahmenwerk
mit dem dreingewundenen Schriftband läßt uns erst recht den Einblick in eine
die Alltagswirklichkeit hinter sich lassende Welt erwarten. Das aller architektonischen
Wahrscheinlichkeit widersprechende Haus schafft ein Bild im Bild, entsprechend
der Rahmenkomposition des Gedichts. Die häusliche Enge mit dem dampfenden
Habermustopf in der Mitte findet sich auch in der verwandten Zeichnung von
Ludwig Richter zum gleichen Gedicht, wo wie als Ironisierung dieser Beschränktheit
ein dunkler Vogelbauer hinzugefügt ist. Aber diese Enge weitet sich'
aus im Bericht des Vaters. Dies realisiert Schwind in einer Art „Uberblendung",
transparenter gezeichnet und von zerbrechlicher werdendem Astwerk gerahmt, in
der sozusagen nur gedachten, reizvoll anmutigen Landschaft, in der Engel den
Hafer besorgen.

Die Kunst Schwinds, in einer gewissen kindlich romantischen Unschuld das
Ineinander von Wirklichkeit und Phantasie noch als stimmig erscheinen zu lassen,
ist den meisten späteren Illustratoren versagt. Wo Curt Liebich über die idyllische
Realität hinauszukommen sucht, fällt er ins seicht Humoristische ab oder dann in
triviale Sentimentalität und Gartenlauben-Romantik; und Adolf Glattacker, der
sich immer wieder historisierend an Hebel versucht hat, geht es mit seinem harten,
leblosen Strich nicht besser. Aufschlußreich ist es in diesem Zusammenhang etwa,
die pathetischen Darstellungen des Dengele-Geists bei Liebich und Glattacker zu
vergleichen mit derjenigen bei Felix Hoffmann, der in unserer Zeit auf selbstverständliche
, fast nüchterne Weise die Sage ernst nimmt, mit seiner skizzenhaften
Zeichnung aber auch so wenig wie möglich fixiert und darum glaubhaft wirkt.7)

Der vergleichende Betrachter gewinnt überhaupt oft den Eindruck, er erfahre
mehr über den Künstler und seine Zeit als über Hebel. Jedenfalls sind die Illustrationen
wichtige Zeugnisse für den, der sich fragt, wie Hebels Werk im Laufe
der Zeit aufgenommen worden ist, welche unterschiedlichen Deutungen es erfahren
hat. Neben dem unreflektierten Schauvergnügen, das sie bieten, sind sie —
auch wenn ihnen künstlerische Bedeutung abgehen sollte — nicht gering zu
achtende Quellen für eine Geschichte der Rezeption der Dichtung. Jeder Illustrator
ist Interpret. Mit seiner Zeichnung erläutert er weniger das Wort des Dichters als
die Auffassung, die er von diesem Wort hat.

In diesem Sinn sei im folgenden versucht, einen Vergleich etwas eingehender
durchzuführen. Wir wählen dazu die „Vergänglichkeit". Zwar haben einige

351


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0169