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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 1/2.1977
Seite: 158
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-01-02/0160
tung". — Der Geduld gesellt sich die Hoffnung zu, die aus der vielleicht schlimmen
Gegenwart in eine bessere Zukunft hinüberlangt; die bäuerliche Hoffnung
auf ein endliches Einbringen der Ernte verbindet sich dabei mit eschatologischen
Vorstellungen. Der Tod als unvermeidliche Größe im menschlichen Dasein erscheint
dabei lediglich als ein „Übergang zwischen zwei Daseinsformen." Auch
dies ist nicht eigentlich christlich gedacht, wie Lutz richtig erkennt, — denn die
Auferstehung Christi, die eigentliche Fundierung christlicher Eschatologie, wird
von Hebel nicht als Begründung herangezogen. Hebels Eschatologie gründet einfach
in seinem bestimmten, individuellen Gottesglauben. Dieser aber und somit
auch diese Eschatologie ist kosmischer Art. Für das Eine wie für das Andere
tragend ist letztlich Hebels „umfassendes Seinsvertrauen".

Das Vollkommenheitspostulat Hebels richtet sich nun nicht nur auf die eigentlich
religiösen Tugenden — auch die „bürgerlich-wirtschaftlichen und die sozialen
Tugenden" werden immer wieder herausgestellt und erhalten ihre „religiöse Motivation
, wenngleich hierbei der sittliche Anspruch meist nicht mehr unmittelbar,
sondern mittelbar von der Person Gottes ausgeht". In der Tat schalten sich hier
Sitte und Brauchtum dazwischen und fordern die bürgerlichen Tugenden Fleiß,
Sparsamkeit, Mäßigkeit. Eine festgefügte soziale Welt ermöglicht und fordert die
sozialen Tugenden. An der überkommenen Ordnung hält Hebels „konservativpatriarchalisches
Denken" trotz aller Umwälzungen unerschüttert fest: Die Obrigkeit
mit ihren drei Funktionen, „Träger der Macht" — „Hüter der Ordnung" —
und „Vater des Volkes" zu sein, — ist gottgesetzt. Für Hebel das Wichtigste ist
das Ordnunghalten; von hier aus sind seine tadelnden Bemerkungen über die
Aufstände in Tirol, in Spanien und über die Befreiungskriege zu verstehen. Trotz
dieser Erkenntnis kann sich Lutz — und auch da wird man ihr beipflichten
müssen — nicht freimachen davon, eine opportunitätsbestimmte politische Haltung
Hebels zu subsumieren; doch davon gleich. Fest steht: Jeder Stand und seine
Umstände sind für Hebel gottgesetzt, und seine Forderung ist, daß jedermann in
seinem Stande bleibe. In der „Anpassung an die gegebenen Lebensumstände" —
so faßt Lutz einmal zusammen — sieht Hebel „die eigentliche Quelle der Zufriedenheit
für den Menschen. — Die sittlichen Forderungen bleiben für Hebel
auch in extremen Verhältnissen bestehen, — ja, dann erst recht, besonders also im
Krieg. Der Krieg ist für Hebel, den Unpolitischen, im übrigen so etwas wie ein
Unwetter, das unbeeinflußbar hereinbricht und dessen Vorübergang abzuwarten
ist. — Eine letzte sittliche Forderung, die Hebel immer wieder erhebt, ist die der
Toleranz gegenüber fremdem Volkstum und fremder Religiosität. Lutz schließt
ihre Studie mit den Worten: „Erfüllung menschlicher Seinsvollkommenheit geschieht
— (nach Hebel) — im Rahmen individueller sozialer Vorbestimmung, sie
konkretisiert sich in der schlichten Alltäglichkeit der Pflichterfüllung und in praktischer
Menschenliebe, sie wird umschlossen und getragen von der kosmischen
Ordnung, deren sanftes Gesetz in der Hand des webenden Gottes ruht."

Für den sozialen und staatlichen Bereich konnte Lutz sich bei ihrer Arbeit
stützen auf das Buch von Erik Wolf: „Vom Wesen des Rechts in deutscher
Dichtung" (1946). Erik Wolf untersucht darin zunächst, auf welche Weise Hebel
durch seine stammesgemäße Rechtsanschauung die deutsche Rechtsanschauung gestaltet
habe. Schon eingangs kann Wolf konstatieren: „Hebels Rechtsbild ist wie
sein Menschenbild aus der Ursprünglichkeit reiner Anschauung der ihn umgebenden
Welt hervorgegangen, es ist weder von philosophisch-historischen Thesen belastet
noch durch politische Wunschbilder bestimmt". Wieso Hebel auch nach dem Recht
zu fragen sei, wird damit erklärt, daß seine Dichtung „keine Wesensbeschränkung"
kenne. Hebel hat weder Kenntnis von den Theorien des Naturrechts noch von den
Ideen der französischen Revolution. „Es ist eine schlichte Welt der Lebenserfahrungen
, die ihn von Stufe zu Stufe bis zu einer selbständigen Wesenserkenntnis
von Recht führt". Als Ausgangspunkt dient dabei Hebels Sinn für
staatliche Ordnung und gesetzestreue Gerechtigkeit, — auch seine Achtung vor
einer „sauberen, schnellen, volkstümlichen Rechtsprechung". „Aber die Herrschaft

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