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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 3/4.1977
Seite: 370
(PDF, 36 MB)
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Fortsetzung zu Heft 1/2; 1976:

Zur Sammlung „Geräte und Begriffe aus der alten
bäuerlichen Arbeitswelt"

Hier: Um die Reben, den Herbst und Wein
von Fritz Sdiülin
Zeichungen von Ernst Schäfer

Der Markgräfler „Rebbur" beim Mühen um sein liebstes Kind

Der Freund der weingesegneten Landschaft, des Reblandes, der nicht nur dessen
Weine, den „flüssige Sunneschy" liebt und in seinen gepflegten Gaststätten genießt,
oder gelegentlich zum Herbsten bei seinen Vettern und Basen eingeladen wird,
sondern auch oft und gern zu allen Jahreszeiten durch die Rebgassen, den Halden
entlang, das Sonntagsland zwischen dem „Hörnli" und dem „Batzenberg" besinnlich
erwandert, achtet bewußt auf alle Regungen im Leben des sorgfältig gepflegten
Lieblingskindes des Rebbauern. Er achtet mit Sorgen auf die knospenden
„Brömli" vor den Nächten der Eisheiligen, atmet den süßen, ahnungsvollen Duft
der Rebblüte an sommerheißen Tagen und erlebt danach das Weichen und Lutter-
werden der Trübli am Stock, dem fröhlichen Herbst entgegen. Er wundert sich
nach einem großen Sterben, nach einer frostigen Frühlingsnacht im Maien, oder
nach einem vernichtenden Hagelschlag und einem Mißherbst, über die Gelassenheit
und Treue der Rebleute, welche danach, ohne viel Wesens und Worte der
Klage, das Erforderliche tun und das heimgesuchte Sorgenkind mit der gleichen
Hingabe und Liebe weiterpflegen. Diese Kraft der Treue, auch nach schmerzlichen
Mißerfolgen, ist wohl tief in der Seele, in der ursprünglichen Überlieferung von
Gewohnheit und Sitte begründet. Anders könnte man das Gehabe der achtzigjährigen
Gotte nicht verstehen, welche auf ihrem ersten und letzten Krankenbett
nach dem Bescheid des Arztes zur Kenntnis nahm, daß sie wohl wieder gesund
würde, aber ihre Reben nicht mehr besorgen könne, weshalb sie den Verwandten
befahl, umgehend einen neuen Meister für die Übernahme ihrer einzigen Pflegekinder
zu suchen. Nachdem sie ihre Reben wieder in treuer Hut wußte, starb sie.
Oder wer könnte sonst den alten Steffi von Istein begreifen, der am Marxetag
auf dem Bittgang durch den Rebberg plötzlich sein Gebet abbricht, als er in der
aufgehenden Maisonne den Schaden einer Frostnacht feststellte: „Verdori, mer
bruuche nimme bette, si sin scho verfrore!" Er ging vom Beten heim, schulterte
seine Haue und ging zum Hacke — in die erfrorenen Reben.

Sinnbildhaft hat der Isteiner Dichter Paul Sättele in einem Gedicht die innige
und wesenhafte Verbundenheit des Markgräfler Rebbauern ver-„dichtet": So göhn
die Reblüt us der Welt, hoch obe überm Rhii. Sie huuche der letzschti Rebegeist
de Stöckli wieder ii". So war es beim Sterben des alten Henning-Vaters: Als er mit
der Rütthaue die letzte seiner geliebten Reben im Zuge der Rebumlegung zu Tode
getroffen hatte, sank er, in der Seele tief und schmerzlich bewegt, mit der Pflanze
in der Hand, selbst entseelt zu Boden.

Das lebzeitlich, von Geschlecht zu Geschlecht erneute und allezeit erregende
Mühen und Sorgen zwischen Hoffen und Bangen, Erfüllen und Versagen, das
unaufhörliche Wach- und auf der Hutsein, hat im Laufe und Wandel der Zeiten
das weltoffene und lebhafte Wesen des Rebländers ebenso bestimmend geformt
wie wohl auch die Fröhlichkeit des Weines.

Hermann Boetsch schrieb in seiner vortrefflichen Art und Sprache zum „Markgräfler
Tag 1925" (im „Festbüchlein" zum Markgräfler Tag in Lörrach am
6. September 1925) über die vielseitige und schwere Arbeit der Reblüt im bäuerlichen
Jahr:

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