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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 3/4.1977
Seite: 385
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-03-04/0179
letzte (ehemals regierende) Großherzogin (eben zum selben Zeitpunkt wurde aus
Baden und Württemberg-Hohenzollern der neue „Südweststaat" Baden-Württemberg
geschaffen). So beliebt die Erbgroßherzogin und nachmalige Großherzogin
in den meisten Kreisen der Bevölkerung auch war: daß das Paar kinderlos blieb,
bedauerte man allenthalben, freilich auch zu einem Zeitpunkt, zu dem man nicht
ahnen konnte, daß das großherzogliche Paar ja keines Nachfolgers bedürfen
würde . . .

Großherzogin Hilda führte bis ins hohe Alter eine lebhafte Korrespondenz, vor
allem auch mit ihrem Neffen Berthold von Baden in Salem (dem Sohn des
Markgrafen Max und einer geb. Prinzessin Cumberland). Daraus hier einige Auszüge
: „Freiburg, den 22. Sept. 1939 ... So dankbar ich bin, nach Salem kommen
zu dürfen, so hoffe ich doch zu Gott, daß es nicht nötig sein wird! Ich kann mir
nicht denken, daß Freiburg geräumt werden muß! es wäre so sinnlos, uns hier
mit Bomben zu bewerfen ... Es ist überhaupt ein merkwürdiger Krieg . . ." Und
unterm 5. 10. 1944: „Es ist eine namenlos schwere Zeit, gerade jetzt, man erhält
täglich Hiobsbotschaften! Uber die Zerstörungen im armen Karlsruhe bin ich
natürlich außer mir . . ." Am 5. November 1944 beging man in kleinem Kreis
ihren 80. Geburtstag im Freiburger Palais, das wenige Wochen später völlig zerstört
wurde. Darüber berichtet der ehemalige Hofmarschall Freiherr E. v. Schönau-
Wehr u. a.: „Das Palais ist von keiner Sprengbombe getroffen worden, das beweist
schon die erhaltene äußere Fassade . . . Der Brand sprang später über von den
angebauten brennenden Nachbarhäusern . . . Die Großherzogin war zuerst kurz
im Keller gewesen, wollte aber dann das Palais, noch bevor es brannte, verlassen
. . . Der Fluchtweg, den ich nicht überwachen konnte, weil die beiden
Damen (Begleitperson: Gräfin Luise von Andlau) mir wegen meiner eigenen
Tätigkeit bei der Bergung von wichtigen Sachen aus den Augen kamen, endete in
einer Wohnung gegen Herdern zu . . In Ergänzung hierzu Luise von Andlau:
„Wir verließen nun das Palais schweren Herzens, um für die Nacht Obdach zu
finden . . . Nun begann eine schwierige Wanderung. Der Weg durch die Straßen
war unmöglich, wie uns von vielen Leuten versichert wurde . . . Sie rieten uns,
über den Schloßberg zu gehen, ahnten aber nicht, wie es dort aussah. Der Berg
selbst sah aus wie ein wild durcheinander wimmelnder Ameisenhaufen . . . Stoßkarren
, Kinderwagen oder hochgetürmte Leiterwägelchen keuchend vor sich herschiebend
durch Berg und Tal der aufgewühlten Erde . . . Da hieß es, durch die
Trichter klettern . . . Dabei waren wir noch beladen mit Handtaschen, Mänteln . . .
Wenn man bedenkt, daß die Großherzogin vor kurzem ihren 80. Geburtstag gefeiert
hatte, war diese nächtliche Wanderung eine Rekordleistung an Willensstärke
und Selbstbeherrschung. Ohne ein Wort der Klage ging sie ungebeugt diesen Weg,
hinter sich ihr Heim mit allem, was ihr lieb und teuer war, zurücklassend, um es
nie wieder zu betreten . . . Zu Anfang der Wanderung war die Hitze sehr groß,
die aus der in Feuerglut versinkenden Stadt zu uns emporstieg. Der Anblick aus
der Höhe auf dieses Feuermeer war schaurig und erschütternd . . ."

Es ist hier und heute weder der Ort, das ehemalige Großherzogtum zu feiern
noch die letzte Großherzogin als eine Heroin darzustellen. Daß sie beliebt gewesen
und zeitlebens Charakterstärke und eine kluge Art zu leben bewies, steht außer
Zweifel. Ihre Ehe war vorbildlich, und ihr Verständnis zu ihrer Schwiegermutter
Luise von Takt und Aufrichtigkeit. Noch ihre letzten in Badenweiler verbrachten
Jahre gewannen ihr zahlreiche Mitbürger zu Freunden.

Am 13. Februar 1952 erfolgte die Überführung nach Karlsruhe und ihre Beisetzung
im dortigen Fasanengarten-Mausoleum. Tausende säumten den Weg des
Leichenkordons, ihr die letzte Ehre zu erweisen. Man brauchte deshalb nicht
großherzoglich-monarchistisch gesonnen sein. Tausende defilierten auch nach der
Beisetzung im Karlsruher Schloßpark. In Stadt und Land hatten die Glocken geläutet
, es war ein Gedenken — wie es abschließend im offiziellen Nachruf heißt —
an ein „Leben, geflochten aus Wahrhaftigkeit und Treue und stiller Frömmigkeit",
das sich nunmehr — nach dem sachten Einschlafen der Greisin — vollendet hatte.

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