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vom Köhlgarten" tragen soll. Er wolle vom Ersparten seines Taglohnes die Kosten
selbst tragen. Er verlangt druckfehlerfreie Arbeit und formuliert seine Bitte als
„letzten Schrei einer schwer enttäuschten Menschenseele, die nach Gerechtigkeit
und Freiheit hungert". Die Schwierigkeiten, unter denen er als Bauer und Holzhauer
dichten muß, schildert er anschaulich. „Auf Stühlen, Bänken, Truhen habe
ich hin und wieder höchstens drei Zeilen schreiben können, bevor die Arbeit rief
oder ich aufgestöbert ward." Immer ungestümer drängt er auf neue Veröffentlichungen
oder zur Gründung eines eigenen Blattes. Er meint, er allein werde
genug Stoff liefern können. Er habe nun 300 RM erspart, um sie in die Wagschale
werfen zu können. „Mißdeuten Sie mir mein ungestümes Drängen nicht,
daraus unbeherrscht der Grimm der unterdrückten Freiheit redet und das grause
Ringen dreier Jahre für Ruhm und Ehre." Ab August 1926 veröffentlicht die
„Heimat" wöchentlich ein Gedicht Philipp Würgers. Aber dann scheint der
Schriftleiter M. Bräunlin einmal gezögert zu haben. Ein Gedicht, das in 12
Strophen den Köhlgarten besingt, erscheint dem Dichter nicht rasch genug. Er wird
ungeduldig. „Seien Sie Ihrem armen Diener gnädig!" fleht er. Das Schweigen des
Verlags nennt er grausam. Dennoch wirbt er weiter Abonnenten für die „Heimat".
Doch dann am 9. November 1926 kommt der letzte Brief von Kühlenbronn nach
Schopfheim: „Sehr geehrter Herr Schriftleiter! Senden Sie mir bitte meine Sachen
sofort zurück und vergessen Sie mich, wie man einen Hund vergißt — Zum
letzten Mal heißen Dank für Ihre edle Freundschaft und Treue! Hochachtungsvoll
Ernst Philipp Würger." (Alle diese Briefe hat Max Bräunlin gesammelt und
dem „Würger-Archiv" übergeben.)
Was in dem Dichter vorgegangen sein mag, ahnen wir nur. Der ehrgeizige
Stolz schlug jäh um. Ein Jahr später datiert, finden wir unter seinen hinter-
lassenen Papieren das Gedicht „Schwermut"
Klagend klingen leis die Haine,
schmerzlich stöhnt der düstre Wald.
Was so schön im Sonnenscheine,
scheint mir jetzt so öd und kalt.
Schwermut kam auf dunklen Schwingen
nistete in meinem Sinn,
und ich kann sie nicht bezwingen,
weil ich ihr ergeben bin.
Ein weiterer Vers dieses Gedichtes:
Dunkel ist es in den Talen;
auf den Bergen pfeift der Wind,
und ich komm nicht aus den Qualen,
weil ich keine Wege find.
Dem Schwermütigen scheint der Tod die letzte Hoffnung. Vielleicht hat die
treu besorgte Liebe der Mutter und die Kameradschaft Friedrichs, seines Bruders,
dem Verzweifelten über die Talsohle hinweggeholfen. Die Mutter, Maria Würger,
hörte nicht auf, für ihre Söhne zu beten und zu hoffen. Vom Leben der nächsten
Jahre wissen wir nur wenig. Philipp lebte zurückgezogen. Hie und da besuchte er
in Wies, im „Rößle" eine politische Versammlung; diese KPD-Versammlungen
waren damals in Wies stark besucht. Sonst kam er kaum von daheim fort.
Aber der Briefbote brachte manches Paket aus Karlsruhe. Da bestellte er Bücher
und in die vertiefte er sich. Manches Gedicht bestätigt das.
Sänger seiner Heimat
Philipp Würgers tägliches Arbeitsleben, sein Schaffen in der Berglandwirtschaft
und sein Taglöhnern im Wald, bilden den Boden, auf dem nun zu Beginn der
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