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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
39.1977, Heft 3/4.1977
Seite: 395
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1977-03-04/0189
alpinen Charakter. Gut 100 m senkrecht stürzt der Weiherfelsen in die Tiefe.
Hier endete ein durch die Hölle des Erdenlebens gejagter Mensch." So verbindet
Würger, wenn es ihm möglich war, auch seine tragischen Geschichten mit der
Heimat. Erzählungen der Großmutter aus alten Tagen haben ihm wohl manchen
Stoff geliefert. Mit dieser Großmutter ist er schon als Knabe nach Badenweiler
zum „Hausierhandel" gewandert.

Wie halb behauene Gedenksteine stehen die Geschichten und Gedichte trauriger
Schicksalsfälle im Garten der Dichtungen Philipp Würgers. Ihr Stoff ist gewaltig.
Ihre Form noch unfertig. So endet das Gedicht „Napoleon im Kreml" aus dem
Jahre 1938 mit dem Vers:

„Indes er auf der Ruhmesleiter
im Geiste stieg zum Herrn der Welt,
ward ein ,Bis hierher und nicht weiter!'
ihm flammenschriftlich zugestellt."

Was hätte der damals 30jährige Dichter aus der Fülle des Stoffes, den er
zusammengetragen hatte, noch gestalten können! Das Jahr 1939 setzt unter alles
einen Schlußstrich. Philipp Würger muß Soldat werden. Er steht zunächst am
Oberrhein. Nach kurzem Lazarettaufenthalt in Waldshut scheint er bald zum
Festungsbaubataillon 24 eingezogen worden zu sein. Als er 1943 vermißt gemeldet
wird, war er Obergefreiter dieser Einheit.

Hermann Burte besuchte Philipp Würger in Waldshut. „Er hat nicht viel gesagt
", schreibt er darüber Philipps Mutter. Auch bei einem wahrscheinlich letzten
Zusammentreffen des damals berühmten Dichters Burte mit dem Urlauber in
Kühlenbronn soll Philipp Würger meist geschwiegen haben. Das war im Herbst
1940. Was hätte er auch sagen sollen, fragen sich jene, die Burtes Äußerungen
jener Jahre kennen. „Was macht auch die alte Kuh und das Kalbele, wo wir im
Herbst 40 ziehen gelernt haben? Was macht auch alles daheim im Dorf?" danach
erkundigt er sich von der Front im Osten aus. Burtes Besuch erwähnt er nicht. Er
denkt in anderen Bahnen und bleibt dem Gesetz treu, nach dem er angetreten:
Dem Wald, der Heimat. Das zeigen auch die wenigen Briefe, die erhalten sind.
Sie sind abgegriffen, wie oft mag sie Mutter Würger gelesen haben.

„Wo auf hohen Tannenspitzen, die so dunkel und so grün,
Drosseln gern verstohlen sitzen, weiß und rot die Moose blühn,
nach der Heimat in der Ferne, zog ich heute noch so gern!"

schrieb der Sohn heim. Mutter Würger hat in den Briefen und Skizzen, Gedichten
und Geschichten ihres Sohnes nie den Namen des Mannes gelesen, von dem die
Zeit widerdröhnte. Bei Burtes Briefen war das anders. Wie eine Tanne auf felsigem
Berghang wächst unberührt vom Treiben unter ihren Zweigen, so hat Philipp
Würger keine Notiz genommen vom Zeitgeist jener Jahre. Keine Silbe widmete
er dem, was er innerlich nicht anerkennen konnte. Das will in den Jahren 1933
bis 1942 in Deutschland etwas heißen.

Über den Krieg freilich macht er sich seine Gedanken: „Wir mußten eine
wichtige Straße über das Jailagebirge schneefrei machen." schreibt er heim.
„Die toten Pferde waren daran die Meilensteine. Bergauf sind sie, Kreaturen von
Haut und Knochen vor Erschöpfung massenhaft verendet. Ich muß schon sagen,
hier sieht man Bilder, die man sein ganzes Leben lang nicht vergißt. Da mußte
ich an das Wort der Bibel denken: Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der
Boten, die den Frieden verkündigen! Das Elend des russischen Volkes im besonderen
und der ganzen Menschheit schreit doch tatsächlich zum Himmel."
Würger frägt, warum diese Not und dieser Krieg über die Menschen gekommen
ist. „Das sind die Folgen des Unglaubens und der Gottlosigkeit. Das ist die Zeit,
wo Gott die Menschen heimsucht." Der Dichter, der in seinen Dichtungen nur
selten und scheu einmal von Gott spricht, sagt nun in Briefen von der Front frei

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