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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 62
(PDF, 40 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-01-02/0064
neue Existenz aufbauen wollte. Jacob war mit dem Verkäufer bereits handelseinig
, d. h. er hatte als „Zieher" bereits den Zuschlag für den Kauf, da kam
wuchtigen Schrittes Hans Eichy von Bürchau und erhob Einspruch: „Nut isch, die
Mühli chauf ich, denn ich bi mitem Leus im dritte Glied bluetsverwandt und ha
nach üserem Landrecht de rechtmäßig Zug". Jacob knurrte, Stoffel murrte, mußte
aber schließlich zugeben, daß er mit dem Eichy tatsächlich in verwandtschaftlichen
Beziehungen stand und „gab ihm die Mühl zu kaufen". Hans marschierte sofort
nach Tegernau, zeigte Vogt Grether freudestrahlend den „Zug" und bestätigte«
nochmals vor der Obrigkeit die Blutsverwandtschaft mit dem Verkäufer. Nur
Jacob, der heulende Dritte, blieb skeptisch, denn die beiden wußten wohl, daß sie
miteinander verwandt waren nach der heute oft noch gebräuchlichen Verwand-
schaftsgradbestimmung „he, mir hän halt no öbbis mitenander zu' due", nur wie,
das wußten die beiden nicht.

Der Herr Pfarrer in Neuenweg, welcher nach dem vorliegenden Material ohne
weiteres in der Lage gewesen wäre, diese Blutsverwandtschaft zu lokalisieren,
wurde von keinem der drei Beteiligten in Anspruch genommen. Es scheint, als
habe justament in diesen Tagen eine kleine Privatfehde zwischen dem geistlichen
Herrn und den Bürgern im Kastel abseits vom großen Kriegsgeschehen geflackert,
denn am 22. April 1960 wurde ein junges Menschenkind nicht in der Neuenweger
Kirche von Pfarrer Walz getauft, sondern in der Hotz'schen Bauernstube im
Kastel von Stoffel Leus, der dabei ganz und gar keine eilige „Jachtaufe" vornahm
, sondern „wegen eines blöden Strittes halber" das kleine Mädchen auf den
Namen Barbara taufte. Mit dem Motto: „Selbst ist der Mann", konnten natürlich
die Herren Leus und Hotz vom Kastel keine Ahnenforschung im Neuenwegner
Pfarrhaus betreiben und der Bürchauer Hans Eichy ebenfalls nicht, war doch die
Täuflingsmutter seine leibhaftige Schwester.

Letzterem konnte alles nur recht sein, denn ihm genügte die mündliche Bekräftigung
des Verkäufers bezüglich der bestehenden Blutsverwandtschaft und der
Mühlenkauf (Zug) war sein. Hier muß eingeflochten werden, daß unsere alten
Gesetze sehr sippenverbindend waren und Verwandten bei liegenden Gütern das
Vorkaufsrecht einräumten, das war übrigens nicht nur in der alten Markgrafschaft
so, sondern auch bei den „Gotzhusleuten" in der benachbarten Talvogtei Schönau
Todtnau, wo bereits im „Talbrief" aus dem Jahre 1321 fest sanktioniert war
„. . . daz kainer in dem tale sin erbe verkoufen woelte, so soll er es bi dem ersten
bieten sinen erben . . .". Das alte Recht war demgemäß uralt, kannte im alemannischen
Raum keine politischen Grenzen und die „Erben" waren sämtliche Blutsverwandte
bis in das dritte Glied, zu welchen sich Stoffel und Hans rechneten.
Jacob mußte sich wohl oder übel diesem alten Recht beugen, zog sich von seinem
erkauften Mühlenobjekt zurück und wartete auf die Stunde der Rache. Hans Eichy
indessen schloß mit dem „Vetter" den Kaufvertrag, zahlte natürlich nicht in bar,
sondern mit den im Waldland üblichen „Würfen", zog mit Frau und Kindern auf
die Kastelmühle und verbutterte seiner Aussage gemäß „an dieser Mühle das
ganze Vermögen".

Das ging drei Jahre gut bis hin zum 13. März 1693; an diesem Tage wurde der
erst 57jährige Mühlenerbauer Stoffel Leus zu seinen Vätern versammelt und seine
Witwe Maria saß in der Folgezeit nicht „wie Mariechen weinend im Garten",
sondern fand flugs einen neuen Anbeter auf Herz und Hand in Gestalt des verwitweten
Martin Peter von Neuenweg. Bezüglich der vorgeschriebenen Wartezeit
von 10 Monaten für eine Wiederverheiratung der Frauen, welche übrigens gesetzlich
bis in unser Zeitalter reicht, erhielt die Stoffel Leus'sche Witwe Dispens,
immerhin stand sie bereits im 50. Lebensjahr und Nachkommen, welche die gesetzliche
Vaterschaft des teuren Verblichenen und werten Zukünftigen in Anfechtung
gebracht hätten, waren naturgemäß nicht mehr zu erwarten, folglich fiel auch der
Sinn der Fristklausel unter den Tisch. Allerdings mußte Maria Leus, geborene

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