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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 66
(PDF, 40 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-01-02/0068
Maid mit ihrer Mitgift von den Waldbauernsöhnen des Tales, welche stets zur
Sanierung des Hofes eine Frau mit Bargeld brauchten, heiß umschwärmt wurde
und durch eine familienfremde Heirat ihre 125 Gulden von der Mühle abzog, was
den Ruin der Gutmanns bedeutet hätte. Es scheint unter diesem Aspekt wenig
glaubhaft zu sein, zu behaupten, Hans Donder sei plötzlich in heftiger Liebe zu
seiner Stiefschwester im Kastel entbrannt, vielmehr scheint es möglich, als habe
die Mutter Gutmann, verwitwete Donder, dieser Liebe etwas nachgeholfen. Sei
es, wie es will, Hans streifte seiner Stiefschwester vorsorglich den Verlobungsring
über, verkaufte seinen Besitz in Kaltenbach, kaufte noch als Bräutigam von
Michel Gutmann die Kastelmühle um 250 fl Reichswährung, zahlte in vier Jahresterminen
, und seine Verlobte trat als Mitkäuferin auf „und ließ ihr Vermögen auf
der Mühle stehen". Dieser „Kauf und Ehecontract wurde verabredet am 1. Dezember
1783", Vogt Mathias Kiefer bestätigte die „Ächtheit" in seiner schauderhaften
Schrift,

Sechs Wochen später war Hochzeit, die familiären Vorteile lagen auf der Hand,
das junge Paar sparte sich zusätzliche Schwiegereltern, das alte Paar war seine
finanziellen Zukunftssorgen los und hatte bis an das Lebensende „Recht und Sitz
auf der Mühlin". Im Grunde genommen änderte sich im Tagesablauf wenig, Hans
und Michel tätigten den männlichen Pflichtenkreis gemeinsam, wurden der „junge
und alte Gerstenmüller" genannt, Eva und Maria schwangen wie zuvor gemeinschaftlich
in „Stuben und Kuchin" Besen und Suppenkelle, wuschen in einer Brühe
den „Plunder" der Männer am Bach, lediglich Mutter Gutmann war auf geniale
Weise wieder mit ihrem leiblichen Sohn unter einem Dach vereint, und die junge
Frau hatte in ihrer Schlafkammer ein zweites Bett mit einem schnarchenden Ehe-
gespons, denn Kinder bekam sie keine. Nur die Gutmannsöhne, damals im „Halb-
starkenaker", bekamen auf die Art einen Stiefschwager, der sich Müller nannte,
vor die Nase gesetzt und verloren damit jegliche Aussichten, künftige Herren über
das „unterschlächtige Mühlrad" zu werden. Um Irrtümer zu vermeiden, muß an
dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Gutmann-Kinder
mit diesem „Mühlenverkauf" keineswegs schnöde enterbt wurden, sondern es war
insgesamt über Jahrhunderte hinweg im Waldland Usus, daß zu einem bestimmten
Zeitpunkt die Höfe fremdes Geld brauchten, um die Nachkommen anteilmäßig
gerecht auszuzahlen. Die Gebrüder Gutmann hatten lediglich Pech, daß sie im
Schicksalsjahr der Kastelmühle noch zu jung waren, um eine Frau mit Bargeld auf
die Mühle zu lotsen, welches ihnen gestattet hätte, den Besitz zu sanieren und dem
Stiefschwesterherz die 125 Gulden ohne Schaden für Hof und Gewerbe auszuhändigen
. So war der rechtlich verbriefte Kauf mit dem Handzeichen des verkäuferischen
Vaters den herrschenden Maßstäben entsprechend sittlich gerechtfertigt
und wurde von allen respektiert.

Drei Jahre später war Michel Gutmann, der „alte Gerstenmüller, welcher mit
seinen zurückgelegten 56 Lebensjahren eigentlich gar nicht so alt war, tot, und
seine eifersüchtige zweite Frau Eva, welche sogar „acht Stunden ins Häuslein"
gesperrt wurde, weil sie ihren Ehemann grundlos verdächtigte, „er habe etwas
mit der Witwe Eichin von Bürchau" und jene öffentlich „eine alte Hure nannte",
überlebte ihn um 13 Jahre. Ihr Sohn und zugleich Schwiegersohn Hans Donder,
nunmehriger Alleinherrscher über Mühle und Mahlgut, zog das mütterliche Vermögen
seiner kleinen Tochter aus erster Ehe, welche bei ihm aufwuchs, von
Kaltenbach in den Kastel, legte die Summe von 135 Pfund Basler Währung
mündelsicher auf der Mühle an und bestimmte im Einklang mit seinem teilhabenden
Eheweib schriftlich: ..." und damit dieses Kind dieses Vermögen
versichert erhält, setzen wir zum Pfand unsere Mühl, unser Haus und unsere
Liegenschaften, auch soll es im Voraus das Recht haben, hier sein Geld zu holen,
was wir von kommenden Jahr an verzinsen". Damit wurde im Klartext die
künftige Mühlenerbin offiziell debütiert.

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