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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 70
(PDF, 40 MB)
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Beruferaten" zu spielen, sondern kannte die einheitliche Berufsbezeichnung der
streitenden Parteien bereits aus den Akten, nur bei dem wässerungsfreudigen
Andreas Asal wäre „Stellfallenzieher" ein Reinfall geworden, denn er schrieb sich
schlichtweg nur „Bürger und Bauer von Bürchau". Der sachverständige Kom-
missarius nahm gründlichen Augenschein, verhörte „alle am Platz", fertigte Protokoll
und Situationsplan, stellte dem offiziellen Besitzer der Kastelmühle die
Spesen mit insgesamt 10 fl und 48 xr in Rechnung, und wenn man bedenkt, daß
zum gleichen Zeitpunkt der alte Müller Donder vom schuldengeplagten Mathiß
Bolschweiler um 22 fl eine „ganze Jucharte neueingeschlagenes Feld" kaufte, dann
pflegten der „Herr Kommissär" nicht gerade billig zu sein.

Als Gegenleistung schloß das Oberamt die Untersuchungsergebnisse in den
Aktenschrank und öffnete ihn erst, als der junge Müller vom Kastel im Frühling
1802 Erinnerung einlegte „. . . und wenn ich schon gezahlt habe, dann will ich
auch den Bescheid". Das daraufhin entstaubte Gutachten des Herrn Lembke zeigte
jedoch für alle streitenden Parteiteile gleichviel Sympathie und empfahl die Entscheidung
„höherer Einsicht". Das Oberamt Rötteln verließ sich jedoch auf kein
„den Seinen gibts der Herr im Schlaf", sondern setzte den Termin zur mündlichen
Verhandlung, und im Juni 1802 wanderten die Müller des Waldlandes pflichtschuldigst
entlang der Kleinen und Großen Wiese in die Amtsstadt Lörrach, ob
mit oder ohne Lust, entschieden die Füße. Nur Andreas Asal konnte an diesem
Tage daheimbleiben und genußvoll seine Matte wässern, denn sein Verfahren
wurde von der eigentlichen Streitsache abgetrennt und kam erst Wochen später
zur Verhandlung. In Lörrach verteidigten die streitenden Müller wortstark ihr
Pro und Kontra. Die mahlenden Gegner der Kastelmüller wollten ihr altes Recht
„auf die Zahl der laufenden Räder" geheiligt wissen und kein neues Wasserrad
im Kastelgrund dulden, „weil es uns Kundschaft wegnimmt, wo wir sowieso nicht
hinreichend beschäftigt sind und viel zu viel Mühlen haben".

Der Kastelmüller Hans Donder, der weder lesen noch schreiben, seinen eigenen
Namen setzen konnte, war jedoch mit seinem wirtschaftlichen Denken der herrschenden
Zeit weit voraus und verblüfft die Nachwelt durch seine Propaganda für
die freie Konkurrenzwirtschaft, als er im Juni 1802 den staunenden Herren auf
dem Oberamt mit einem gewaltigen Satz ein neues Wirtschaftssystem erklärte:
„. . . und wenn viele und gute Mühlen sind, desto besser ist es für das Publikum,
da es dann jedem frei stehet, in welcher Mühle er mahlen lassen will, denn nur
der Müller bekommt die meisten Kunden, der die Kundschaft am besten unterhält
". Wahrscheinlich hielt man seinerzeit den fortschrittlichen Hans Donder für
verrückt und die konservativ-stagnierenden Müllerskollegen für normal und sandte
von amtswegen die Akten mit den protokollierten Aussagen „zum Entscheid" in
die höhere Instanz. Doch auch in Karlsruhe würdigte man keineswegs die popularisierte
freie Marktwirtschaft eines Hans Donder's und verbot mit fürstlichem
Decret vom 23. Juli 1802 die Inbetriebnahme eines zweiten Wasserrades in der
Kastelmühle. Damit war auch der schlitzohrige Andreas Asal einverstanden und
schloß zwei Wochen später „mit denen auf der Kastelmühl" einen Vergleich,
welcher dem Wasser von „Belchens Töchterlein" ungehinderten Lauf auf das
unverheiratete Mühlrad von Donder und Tochtermann gestattete.

Nun hatte die Kastelmühle zwar wieder genügend Esprit, jedoch wirtschaftlich
waren ihr die Flügel für alle Zeiten gestutzt und familiär hing seit Monaten der
Haussegen in der Diagonale. Der Streitherd lag nicht im gewerblichen Teil des
Hauses, sondern im Privattrakt der alten und jungen Müllerin, welche sich von
jeher in ihrer Eigenschaft als Stiefmutter und Stieftochter „nicht riechen konnten".
Der seit zwei Jahren amtierende Schwiegersohn konnte die beiden auch nicht
besänftigen, hielt natürlich zu seiner jungen Frau, die ihm ja schließlich einen
Erben gebären sollte, während Hans Donder wohl oder übel seinem Eheweib die
Stange hielt, denn noch war er in den besten Mannesjahren und konnte seine

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