Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 71
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zweite Frau nicht auf den Mond schießen. Ehe man sich's versah, waren auch die
beiden Männer „überzwerch", und wenn sie auch klug genug waren, in geschäftlichen
Dingen als geschlossene Einheit aufzutreten, konnten „weder weltliche und
geistliche Vorgesetzte" die privaten Streitigkeiten zwischen dem alten und jungen
Paar schlichten.

Laut Akten „war die Feindschaft schon ziemlich weit fortgeschritten", als Hans
Donder im Jahre 1802 mit dem einmaligen Begehren beim Bürchauer Vogt erschien
und verlangte, „daß der Übergabeverkauf vom Jahre 1800 durch richterliche Entscheidung
wieder rückgängig gemacht werde". Das war natürlich ein heißes Eisen
und „bislang im Flecken Bürchau noch nicht vorgekommen". Vogt Kiefer kratzte
den Kopf, lud alle streitenden Teile termingebunden zur Verhandlung, der junge
Müller erschien mit seinem alten Vater von Wies, die Ehefrau des Donders mit
einem „Vetter" von Hoheneck, die 22jährige junge Kastelmüllerin, welche keinen
Verwandten greifbar zur Hand hatte, mit dem Kirchenältesten Böschweiler von
Bürchau, nur Hans Donder selbst brachte keine Schützenhilfe mit, sondern vertrat
sich selbst. Er wiederholte vor der Versammlung sein Rückkaufbegehren, die
Tochter sagte: „Der Vadder sei eigensinnig, doch ehe der Streit zwischen den
Parteien erneut flammte, kam durch die Tatkraft des Vogtes unter Mithilfe der
„Beystände" ein Vergleich zustande, der besagt, „daß von Stund an Hans Donder
und Lorenz Müller die Mühle und alle Liegenschaften gemeinschaftlich besitzen
und gemeinschaftlich die herrschaftlichen Beschwerden entrichten". Damit war das
alte Paar nicht mehr „Nutznießer", sondern rechtlicher Mitbesitzer, und das junge
Paar hatte zwar nur noch hälftigen Eigenbesitz, mußte dafür alle laufenden
Rechnungen nicht mehr alleine bezahlen. Die Verrechnung in Gulden und Kreuzern
wurde natürlich auch vorgenommen und fein säuberlich in den Vergleichsvertrag
gesetzt, nur die böse Stief- und Schwiegermutter war nicht mit Geld aufzuwiegen
und stand insgesamt 27 Jahre in der Ehebilanz des jungen Paares im
Haben.

Die beiden gleichberechtigten Kastelmüller spezialisierten sich in der Folgezeit
„auf das Machen von ganz feiner Gerste", welche von der Kundschaft sehr gefragt
wurde. Reich wurden sie nicht davon, denn wenn die Mahlkunden aus der Frucht
Kernen und Mehl wollten, sparten sie sich einen Weg und gingen in die Bürchauer
Mühle, welche zwei Mahlgänge und eine Rennle" (Gerbgang) hatte und der
Kundschaft mit beidem dienen konnte. Geschäftlich gab es in der elfjährigen
Partnerschaft offensichtlich keine Differenzen, wenn sie Geld brauchten, verkauften
sie, jeder für sich, ein Stück Feld, wenn sie Geld hatten, legten sie es wieder
in Grundstücken an. 1806 verkaufte das junge Paar wegen Schuldentilgung am
herrschaftlichen Stab sechs kleinere Grundstücke, „aber es geschah kein Bott und
da kam Hans Donder sambt Frau als Kondidore und übernahm dieselbige um
492 fl 30 xr und zahlt davon ab Martini 1806 die herrschaftlichen Beschwerden".

Privatim stellten sich in der Kastelmühle kleine Müllerlein ein, die teils ihre
Seele bald wieder aushauchten, teils den grauen Alltag mit Leben erfüllten und
Hans Donder den Titel Großvater, jedoch keineswegs den häuslichen Frieden mit
dem jungen Paar sicherten, denn die Zeit machte aus seinem Eheweib keine Nachtigall
. Am 4. Mai 1806, als im hinteren Kleinen Wiesental kniehocher Schnee lag,
„so daß es ohnmöglich war, mit einem Gefährt vom Oberamt nach Neuenweg
zu kommen, um den Platz zu inspizieren, auf welchem die neue Kirch' stehen
sollt", mußte der Kastelmüller senior seine Müllersfrau wieder einmal im Häuslein
abliefern, weil sie mit dem Schwiegersohn eine handfeste Auseinandersetzung
hatte, von welcher sie behauptete, „daß sie vom Schwiegersohn verprügelt wurde",
während jener treuherzig dem Pfarrer zu Protokoll gab, „daß seine Schwiegermutter
auf ihn losging". Auch nach dem Tode Hans Donders, welcher im Jahre
1813 starb, lebte seine verwitwete bessere Hälfte mit Tochter und Tochtermann
in ständigem Streit, wurde vom Pfarrer von Neuenweg offen „als des Lorenz

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