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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 72
(PDF, 40 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-01-02/0074
Müllers böse Schwiegermutter bezeichnet, verhätschelte gegen den Willen der Eltern
ihren ältesten Enkelsohn „zum ständigen Ungehorsam gegen Vater und Mutter"
und wenn das Bürschlein hin und wieder eine saftige „Maulschelle" vom Vater
bekam, dann nahm sie einen Besenstiel und verteidigte schlagfertig ihre großmütterliche
Autorität.

Im Dezember 1818 wurde es selbst dem Bürchauer Vogt, welcher über den
Frieden unter den Strohdächern seiner Gemeinde zu wachen hatte und seit sieben
Jahren auch die Kastelbewohner zu seiner „Burgerschaft" zählte, zu dumm und
erstattete höchstpersönlich Anzeige gegen die Bewohner der Kastelmühle beim
Censurgericht Neuenweg, „weil diese den lieben, langen Tag streiten, fluchen,
schimpfen und schlagen". Zwei Tage vor Weihnachten war Familientreffen vor
Gericht im Pfarrhaus zu Neuenweg, der 15jährige Mühlenkronprinz war auch
dabei, wurde vom Pfarrer als „ungeratener Sohn, dem die Großmutter immer
hilft", bezeichnet, jene als „gerichtsbekannt streitsüchtig" ins Protokoll genommen,
das am Gebrüll beteiligte Müllersehepaar auch „nicht für unschuldig befunden",
und nachdem allen streitenden Teilen tüchtig die Leviten gelesen worden waren,
saß, ehe das Jahr sich neigte, jedes Sippenmitglied einzeln seine ihm zudiktierte
„Häusleinstrafe" ab. Geholfen hat sie übrigens nicht, denn Frieden senkte sich
erst über die Kastelmühle, als „die Donderin mit Tod abging", sie wurde jedoch
nicht von ihrem erbosten Schwiegersohn mit einem Mühlstein um den Hals im
alten Mühlenteich ertränkt, sondern starb am 10. November 1827 eines natürlichen
Todes im Bett.

Die friedliche Zeit genoß Lorenz Müller, welcher seit 1813 die Kastelmühle
mit dem ererbten — hälftigen Donder'schen Mühlenanteil redlich in Alleinherrschaft
führte und dafür sorgte, „daß sie niemalen in Gant geriet", nur 86 Tage
und Nächte. Im Diesseits waren die Kastelmüller arme Schlucker, im Jenseits
waren sie mit ihren Spezialkenntnissen sehr gefragt, den gleich seinen amtierenden
Vorgängern erreichte auch er nicht den 60. Lebensring, sondern wurde mit 54
Jahren, 3 Monaten und 11 Tagen am 4. Februar 1828 von seiner Kastelmühle
jäh abberufen und auf dem Neuenweger Gottesacker — gottlob durch drei Gräber
getrennt — mit seiner Schwiegermutter wieder vereint.

Der älteste Sohn gleichen Namens war beim unvorhergesehenen Tod des
Vaters 25 Jahre alt und noch unbeweibt und war altersmäßig von den Geschwistern
der einzige, der die Mühle im Familienbesitz nach den im Waldland
herrschenden Regeln übernehmen konnte. Seine Mutter war nach dem im Jährt
1800 geschlossenen Ehekontrakt, „wenn eines von beiden mit Todt abgehet, wird
alles, was wir in die Ehe bringen, erhausen und erwerben in zwey Theile getheilt,
ein Theil gehört dem überlebenden Theil', der andere Theil den Kindern . . .",
gesetzlich gehalten, binnen drei Monaten und 40 Tagen diese Teilung mit den zu
diesem Zeitpunkt vier lebenden Kindern vorzunehmen. Wenn nun also Lorenz
Müller diese Mühle mitübernehmen wollte, mußte er erstens seine Mutter besitzhälftig
mitübernehmen, die ihm dann durch Vertrag ihren Anteil „verkaufte" und
zweitens seinen Geschwistern in absehbarer Zeit das väterliche Erbteil auszahlen.
Also brauchte er nach dem ewigen Rhythmus der Waldbauernhöfe sofort eine
Frau mit Geld, und während er sich den Kopf zerbrach, woher er eine solche
nehmen und nicht stehlen sollte, wurde wie auf Bestellung vier Wochen nach dem
Tode des Kastelmüllers, der 40jährige Mathias Eiche von der hinteren Sonnhalde
zu Grabe getragen.

Lorenz besichtigte flugs die trauernde Witwe, die zwar nicht mehr ganz taufrisch
und sieben Jahre älter wie er, mit einem lungenschwindsüchtigen Mädchen, nicht
abgeneigt war, postwendend den jungen Müller zu erhören. Sie hatte durch Ehevertrag
aus dem Jahre 1817 hälftigen Anspruch an den Eiche-Besitz an der
Sonnhalde, besaß 300 Gulden mütterliches Vermögen und seit 1817 die schriftliche
Zusage des Vaters, daß sie nach seinem Tode das väterliche Erbteil von

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