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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 1/2.1978
Seite: 73
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Neuenweg ausbezahlt erhält. Wie es der Zufall wollte, starb dieser Vater 14 Tage
nach dem Eiche-Ehemann und alles in allem- war diese Witwe eine recht gute
Partie. Lorenz griff mannhaft zu, hatte am 3. Dezember 1828 Hochzeit und
war vier Wochen später stolzer Vater einer kleinen Tochter, welche einwandfrei
aus seinem Liebeswerben vom April 1828 stammte und davon zeugt, daß Lorenz
die trauernde Witwe über den am 1. März 1828 verblichenen Ehemann hinwegtröstete
.

Es war übrigens der nämliche Lorenz, welcher 10 Jahre zuvor, vom Pfarrer von
Neuenweg als „ungeratener Sohn" bezeichnet wurde, doch nichts deutet darauf hin,
daß er auch ein ungeratener Familienvater und Müller geworden wäre. Er führte
ab 1828 die Kastelmühle, nahm anscheinend vier Jahre später eine bauliche Veränderung
vor, meißelte seine und seiner Ehefrau Initialen mit der Jahreszahl 1832
in den Giebel der Mühle, zahlte den Geschwistern den Erbanteil aus, räumte der
Mutter 29 Jahre den „ungestrittenen Platz" in Haus und Mühle ein, führte weder
Ehe- noch Schwiegermutterkriege, lieferte keine Mühlenschlachten, sondern hielt
sich an das Gebot des 19. Jhdts: „Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht", richtete sein
Hauptaugenmerk auf das klappernde Wasserrad und bewirtschaftete gleich seinen
Vor- und Nachfahren seine „Stücklein Matten und Feld". Ehe er jedoch das 35.
Lebensjahr vollendet hatte, war er bereits wieder Witwer, ging noch im Trauerjahr
zum zweitenmal in Bürchaus Fluren auf Brautschau, bekam diesmal eine
junge, knusprige Frau, welche ihm zwar keine Erben gebar, jedoch 32 Jahre lang
mit ihm zusammen auf der Kastelmühle hauste.

Wie Großvater Donder hatte auch der EnkeL Lorenz Müller aus zwei Ehen
nur eine einzige Tochter. Gleich diesem legte er nach dem Tode der Frau das
mütterliche Vermögen des kleinen Mädchens mündelsicher auf der Mühle an,
suchte rechtzeitig für die Mühlenerbin einen fachlich versierten Hochzeiter, machte
dazu die Weltreise über Schopfheim nach Dossenbach auf den Dinkelberg, denn im
Waldland schüttelte man zu keiner Zeit die jungen Müller von den Bäumen. Ehe
Rosina Katharina Müller ihre Volljährigkeit feierte und das gesetzliche Recht
hatte, „vom Vadder ihr Geld herauszuverlangen", war sie verheiratet und trug
den Ehering des 27jährigen Müllers Johannes Gentner am Finger, nur die alte
Großmutter spendete schicksalsverbundenen Trost: „Mir isch es vor nünevierzig
Johr dupfeglich gange".

Der junge Mann zog von seinem landschaftlich heiteren Dinkelberg zu seiner
jungen Frau auf die Kastelmühle, regelte mit dem Schwiegervater die Besitzverhältnisse
wie gehabt, erfüllte seine ehelichen Pflichten mit Bravour und zwischen
1850 und 1857 waren demzufolge erstmals in der Geschichte des Hauses vier
Generationen unter einem Dache vereint, denn zum Inventarverzeichnis gehörte
eine lebende Urgroßmutter.

Die sattsam bekannten Hunger- und Notjahre in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
, welche in den Jahren 1840 bis 1852 insgesamt 48 583 Personen aus dem
Großherzogtum Baden zur Auswanderung zwang und 1853/54 ganze Familien des
Kirchspiels Neuenweg nach Nordamerika trieben, rüttelten auch an der Existenz
der Kastelmühle.

Bereits über dem zweiten Ehe- und Müllerjahr des jungen Paares hing sorgenschwer
die Frage nach dem nächsten Tag, denn 1851 war im Waldland" die
Wintersaat gänzlich mißraten, die Sommerfrucht äußerst dürftig", so daß man
laut Akten „nicht einmal die Aussaat zurückgewonnen hatte", und die als Hauptnahrungsmittel
bezeichnete Kartoffel „war krank, faul und von so geringem Wert,
daß der Pfarrer von Neuenweg" mit bangen Ahnungen dem herannahenden
Winter" entgegensah und den Tod seiner Schäflein „wegen Verhungerns" fürchtete.
Johannes Gentner geriet in diesen Jahren in erhebliche Schwierigkeiten, stand
jedoch mit der Familie die Notjahre der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts
durch, befreundete sich jedoch keineswegs mit dem herben Waldland, sondern ver-

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