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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 319
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0105
lieben Sohn Friedlin Eichyn sein Haus zu Birchow sambt Garten und Acker beym
Haus" mit einer genauen Lagebeschreibung und etlichen Grundstücken so „wie
der Vogt solches besessen und an sich erkaufet hat", wobei auch die „Hintermatten
, stooßt unten an den Weg so durch die Matten hinderen geht", nicht
vergessen wurde. Hans Eichy, der tüchtige Vogt der weitläufigen Waldvogtei
Tegernau war keinesfalls alt und gebrechlich, als er am 20. Januar 1652 seinen
eigenen Hofverkauf in seiner Eigenschaft als Vogt auf dem offenen Verbandsgericht
siegelte, sondern hatte in geistiger und körperlicher Frische knapp zuvor
seinen 60. Geburtstag gefeiert und lebte danach noch etwas mehr als 19 Jahre auf
dem Altenteil in Bürchau, während der 26jährige „Hofkeufer Fridolin" Jahr
für Jahr auf „Georgi" den vereinbarten Kaufpreis im großzügigen Ratensystem
an seinen „Vadder" abzahlte.

So war es noch im 18. und 19. Jahrhundert. Aus „Vadder und Mudder"
wurden früher oder später „Hofverkeufer" und unter der meist zahlreichen
Nachkommenschaft fand sich stets ein männliches oder weibliches Glied, welches als
„Keufer" auftrat und willens war, den Waldbauernhof in eigene Verantwortung
zu übernehmen, die Geschwister anteilmäßig auszuzahlen, die Eltern „lebdäglich"
mit allem Notwendigen zu versorgen, sowie für sämtliche Verbindlichkeiten, die
auf dem Hofe lasteten, verpflichtend „geradezustehen", denn meistens lebte noch
eine Hälfte der „vorgestrigen" Generation in der „Behausung", ein alter Großvater
oder eine uralte Großmutter, manchmal auch eine ledige, verwelkte „Vadder-
schwester" oder ein Hagestolz als „Muddersbruder", die allesamt aus dem „vorderigen
" Hofverkaufsvertrag ihre Rechte besaßen, welche der junge Käufer zu
erfüllen hatte. Demzufolge gab es im Waldbauernland keine lachenden Erben, sie
hatten lediglich mit der Hofübernahme „den Buckel voller Schulden" wie sie sich
auszudrücken pflegten. Das dürfte im übrigen mit der springende Punkt sein,
warum das alemannische Erbrecht, welches im Kleinen Wiesental nicht immer eingehalten
wurde; „verkauft" wurde ausschließlich mit dem „Wissen und Willen
der anderen Kinder" an den Nachkommen, welcher den familiären Umständen
unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse entsprach, wobei die
Geschlechtsmerkmale männlich und weiblich nicht ausschlaggebend waren.

Mit dem Wort „Schliß und Schleiß" geben uns vergilbte Gerichtsprotokolle des
18. Jhdt. Kunde, daß dieses gewichtige Wörtlein in unseren Landen einst existent,
jedoch heute vollkommen aus unserem Sprachschatz verschwunden ist, in alten
Zeiten im bäuerlichen Leben unserer Altvorderen aber eine bedeutende Rolle
spielte.

Sehr wahrscheinlich zeichnet der schriftdeutsche Wortvater „Beschluß" als
Ahnherr für die alemannischen eineiigen Zwillinge „Schliß und Schleiß", welche
ihr sprachliches Doppelleben allein den orthographischen Künsten der jeweiligen
Gerichtsschreiber verdanken, jedoch ihren Wortsinn im „nach gemeinsamer Uber-
legung und Beratung einen Beschluß fassen" haben dürften. Die Tatsachen sprechen
dafür.

Bevor jedoch die munteren Knaben „Schliß und Schleiß" bezugsgebunden durch
die Akten spazierten und der Gerichtsschreiber seine Feder in das „Dindenfaß
dunkte", hatten vier unruhige, zeitlose Fragegeister mit ihrem Rumoren: „Wem,
Was, Wann, Wie" auf dem jeweiligen Waldbauernhof bereits dafür gesorgt, daß
die Familie gemeinsam beriet, berechnete und beschloß „wie es gehalten werden
soll", denn nur der gemeinsame Wille der Gesamtfamilie war entscheidend, um
„Schliß und Schleiß" existenzfähig zu machen. Den weisen Rat von Meister Hebel,
nach welchem man einen Menschen erzürnen, berauschen und mit ihm ein Erbe teilen
soll, um seinen Charakter zu erkennen, haben die alten Waldbauern nicht gekannt
und dennoch zu Lebzeiten in Einigkeit ihr sogenanntes Erbe geteilt, was insgesamt
für ihr Wesen spricht.

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