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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 320
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0106
Sobald sich die Familie über die Person des Hofkäufers einig geworden war,
wurde den Verträgen zufolge „Meß gehalten", wobei die lutherischen Waldbauern
keineswegs auf katholische Art den Herrgott in feierlicher Zeremonie um Erleuchtung
anflehten, sondern höchst weltlich ihre zum Hofe gehörenden Grundstücke
vermessen ließen. Waren hingegen die „Juchert, Viertel und Ruthen im
Maß" bekannt, so fiel die „Meß" aus. Hin und wieder kam es auch vor, daß ein
„Gütleinbesitzer" die „Meß im Kopf" hatte statt auf dem Papier; sofern dann
kein Einspruch von der Familie vorlag, wurde, darauf fußend, im „Ohngefehr"-
System verrechnet, doch bei der Preisfestsetzung für die je nach Lage unterschiedlichen
Flurstücke gab es keine Daumenrechnung, sondern auf den Kreuzer genau
auskalkulierte Wertmaße, denn „eine gute Matte" stand im Waldland „alleweil"
höher im Kurs wie bebautes Ackerland gleicher Größe.

Da zudem auf jedem Hof eine „Ansprach Gerechtigkeit" an Wald, Berg- und
Brachfeld teilbar mit namentlich genannten „Consorten" ruhte, und in den Kaufanschlag
insgesamt auch „die Behausung, Scheuren, Stallung" samt dem lebenden
Inhalt, der „Kuchengarten" bis hin zum „oberen und unteren Krautgelend", die
Fahrnisse im Detail bis zu den „Wagenrethern" genommen und verrechnet werden
mußte, war es für jeden, dem Schreibkram abholden Waldbauern, „ein schönes
Stück Müh", den Hof verkauf unter Dach und Fach zu bringen bzw. gerichtsfertig
zu machen.

Wer will es in diesem Zusammenhang dem braven Mathiß verdenken, wenn er
am Sonntag im Wirtshaus nach dem dritten „Schöpplein Wein" statt weißer Mäuse
schwarze arabische Ziffern sah und seinen Gefühlen freien Lauf ließ mit dem inhaltsschweren
„Gopferdammi sone Schissdräck"? — Letzteres durfte er sagen,
ersteres nicht, denn das fiel vor 200 Jahren noch unter das Straf vergehen „Fluchen
und Schwören" und kostete auf dem Censurgericht 30 Kreuzer Strafe, „weil es in
der Öffentlichkeit geschah". Die stillen Flüche, welche der knorrige Waldbauer
daheim in der rauchgeschwärzten Stube am eichenen Tisch auf dem Zahlenschlachtfeld
seinen stummen Zeusen zuwarf, bis sie nach dem soundsovielten Male harmonierten
, sind nicht aktenkundig und somit „ungesühnt", was dem armen Teufel
von anno dazumal aufrichtig gegönnt wird.

Stand mit oder ohne Gefühlsausbruch endlich die Gesamtsumme einschließlich
der „Behausungsbeladung" unbestritten fest, so gab der Hofverkäufer „aufrecht
und redlich zu kaufen seiner geliebten Tochter", oder dem „vielgeliebten Sohn",
seinen Gesamtbesitz, umgerechnet in Geldwert dergestalten, was als Summa-
Summarum jeweilig unter dem dicken Strich als Resultat seiner wochenlangen
Rechenkünste stand, wobei trotz dem regen Handel mit Basel keineswegs der
„Stebler" sondern der Gulden und das Pfund in „Landeswehrung" als Zahlungsmittel
eingesetzt wurde; letztere unterschieden sich nur dadurch, daß der Gulden
insgesamt 60 Kreuzer oder 300 kleine Silberpfennige galt und das Pfund nur 48
Kreuzer oder 240 Silberpfennig wert war.

Bis zu diesem Punkt glichen sich die alten Kaufverträge, nur durch die unterschiedlichen
Preisklassen gekennzeichnet, wie die rohen Eier im Hühnerstall. Sobald
jedoch der Kaufwert in Zahlen schwarz auf weiß feststand, war die Gleichheit
dahin und die tatsächlichen Soll- und Haben-Bestände des einzelnen Waldbauernhofes
traten in den Vordergrund und prägten formend das Wollen und Handeln
nach den Bedürfnissen rein individuell, wobei jeder, der im „Familienrath" etwas
zu melden hatte, oder rechtliche Ansprüche an den Kaufwert besaß, mit Wort und
Tat berücksichtigt wurde. Da war vor allem das „Eheweib", welches mit ihrem
Herrn und Gebieter im Waldland gemeinschaftlich als verkaufender Teil auftrat
und zumeist durch einen schriftlichen Ehevertrag, der damals „Eheverspruch" hieß,
und abweichend vom gültigen Landrecht ihre wirtschaftlichen Rechte gleich der
heutigen gesetzlichen Gütergemeinschaft auf freiwilliger Willensbezeugung sicherte,
das „Sagen" ebenso hatte, wie ihr wetterharter Ehegespons. Zwar war damals die

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