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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 321
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0107
Stimme der Frau im Rechtsleben wertlos, sie konnte im Alleingang vor Gericht
keine Willensentscheidung treffen, egal, ob sie großjährig, ledig, verheiratet oder
verwitwet, mit ihrem Ehemann einig oder „überzwerch" war, doch „mundlos"
war sie nicht.

Für alle Rechtsgeschäfte hatte das schwache Geschlecht bis vor 143 Jahren einen
männlichen „Beystand" in Anspruch zu nehmen, der keineswegs von „amtswegen
gesetzt", sondern nach freier Wahl der Frau als „Frauenbeystand" nach gesetzlicher
Vorschrift verpflichtet wurde, um mit ihr zusammen ihre Interessen vor Gericht
zu vertreten und durch seine einverständliche Unterschrift den Frauenwillen zu
legalisieren, er vertrat in Rechtsgeschäften die Ehefrau auch gegenüber dem Ehemann
, woraus man ersieht, daß die biblische Auflage „Das Weib sei dem Manne
Untertan", seine geziemenden Grenzen zeigte. So war auch die Frau Hofmitver-
käuferin in ihrer Eigenschaft als ehelicher Teilhaber oder als Witib, welche in
letzterem Falle nach dem Ehevertrag unterschiedlich das väterliche „Kindsvermögen
" bis zu einem gewissen Zeitpunkt in Nutznießung hatte, rechtlich meist
durch einen nahen Verwandten, einem „Vogtmann", „vebeystandet", welcher ihr
Vertrauen genoß und dem Charakter seiner Aufgabe gemäß nicht nur seine einverständliche
Unterschrift setzte, sondern bereits im „vorneweg" rein privatim den
Kaufwert insgesamt begutachtete und wenn nötig, beim nachfolgenden Dividieren
und Subtrahieren sein Veto im Namen der Frau einlegte. Auch die großjährigen
Töchter der Verkäufer waren auf die selbe Art und Weise eigen „verbeystandet",
„bevogtet", das blie bübrigens bis in das vorige Jahrhundert; genau gesagt, benötigte
das weibliche Wesen ihr verbeistandetes Sprachrohr bis zum 28. August 1835,
mit diesem Datum trat das Gesetz der „Geschlechterverbeystandung" außer Kraft.
Zieht man dazu noch in Betracht, daß vor dem Jahre 1835 die männlichen Nachkommen
, sofern sie das 30. Lebensjahr nicht vollendet hatten, je nach Billigkeit
für ihre Belange freiwillig einen „Beystand" bestimmten, die Schwiegertöchter und
Schwiegersöhne, welche auf den Hof einheirateten oder schon seßhaft waren, sich
durch ihren „Vadder oder Brudder" verbeistanden ließen, die minderjährigen
Kinder der Hofverkäufer von Fall zu Fall verschieden durch einen „Pfläger" in
dieser Rechtssache vertreten wurden, so ergab sich ein interessantes farblich abgestimmtes
Familiengremium, welches keine patriarchalischen Anwandlungen duldete
, sondern entgegen dem Volksmund: „viele Köche verderben den Brei", brav
das Halbgare bis zum Siedepunkt rührte, nichts anbrennen ließ und später dem
Gericht gemeinsam bezeugte: „So sind alle Teile zufrieden" oder „so ist dieser
Kauf gedräulich angefertigt mit Zufriedenheit aller", was einer Meisterleistung
gleichzusetzen ist, denn wer würde sich heutzutage mit seiner Verwandtschaft über
seine eigene Besitzveräußerung an seine eigenen Nachkommen einigen?

Im 17. und 18. Jhdt. war es durchaus im Waldland auch „gang und gäb", daß je
nach Anzahl der vorhandenen Nachkommenschaft und deren schwer zu findenden
Existenzgrundlagen, der Waldbauernhof an zwei Abkömmlinge verkauft wurde
und zwar jedem zur „Halbscheidt", wobei nicht nur jedes einzelne Flurstück „je
helftig" dem Käufer zufiel, sondern „die halbe Behausung, die halbe Scheuren,
die halbe Stallung, die halbe Hofreithin" bis hin zum halben „Säustel". Keineswegs
wurde aber mit diesem „Halbscheidtverkauf" ein eiserner Vorhang quer
durch das Schwarzwaldhaus gezogen oder die eine oder andere Familie auf das
1. oder 2. Stockwerk verwiesen, sondern der Käufer bekam mit dem ausgehandelten
Kaufvertrag „die halbe Kuchin, die halbe Stube, die halbe Rauchkammer, die
halbe Führbühnin" usf., wobei symbolische Grenzen gezogen wurden „biß an den
obern forderen oberen Kuchentürpfosten und von diesem Pfosten grad hinüber
gegen die Stuben zu", nur die Schlafkammern wurden nicht gemeinschaftlich genutzt
, da war die Türschwelle Landesgrenze und somit Hoheitsgebiet, gemäß
erstem Buch Mose Kapitel 2/24 und für den nachfolgenden Vers 25 war ein Riegel
vorhanden, denn laut Sigmund Freud „ist der Verlust von Scham das erste Zei-

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