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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 322
(PDF, 42 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1978-03-04/0108
chen von Schwachsinn", und schwachsinnig waren unsere Waldbauern nicht. Im
übrigen gab es in den Waldbauernhöfen, die zur „Halbscheidt" im unterschiedlichen
Besitz oder durch „Halbscheidtvorverkäufe" gedrittelt und geviertelt waren,
wo nicht nur alt und jung, sondern oftmals mehrere Familien mit ihren kleinen
Kindern unter dem ausladenden Strohdach dieselben Räumlichkeiten gemeinschaftlich
in eigener Haushaltung benutzten, wo „Chuchiherd und Chunscht" allen gehörte
, Brägelpfanne neben Brägelpfanne im „selben Geschirrschaft" stand und am
„Ofenstängelein die nassen Strümpfe und HandzWehlen", die Hebel aus seiner
Hertinger-Schlotterbeck-Zeit besingt, gemeinschaftlich in den unterschiedlichsten
Verwandtschaftsgraden baumelten, nicht mehr und nicht weniger häusliche Streitigkeiten
wie heutzutage bei anonymen Eigenleben und geschlossener Etagentüre.

Insgesamt hat jeder Hof im Kleinen Wiesental in der generationslangen Kette
der Waldbauerngeschlechter, durch den Kinderreichtum bedingt, irgendwann im
Laufe der Jahrhunderte eine solche halbscheidige Teilung ertragen und je nach
Vitalität der einzelnen Generationen ein „neues Eingeheuß fornen" an das alte
Bauwesen erfahren, so daß der Waldbauernhof zusehends in die Breite wuchs,
denn in die Höhe konnte er nicht wachsen, „weilen es in dießer Gegend zu winder-
lich und zu wintig und der nechste Sturm das Tach samt dem Schaub und den
Schinteln wegfliegen leßt".

Nicht Familienstreitigkeiten und Uneinigkeiten ließen im Laufe der Zeit auf dem
alten Hofgrund zwei, drei kleinere Einzelgehöfte entstehen, sondern Baufälligkeit,
Blitzschlag und Brand verhalfen dem Einzelnen zu einer eigenen „Hofstatt", welche
er dann in altbewährter Tradition an seine Nachkommen „weiterverkaufte".
Doch alle „Käufe und Verkäufe" wurden durch Jahrhunderte hindurch von einem
Gerechtigkeitssinn geprägt, welches kein Waldbauernkind zwang, sein Erst- oder
Letztgeburtsrecht um das biblische Linsengericht zu verkaufen und kein graues
Haupt um sein gesichertes „Daheim" zittern ließ, sondern die Gewißheit hatte, daß
nur der Sensenmann befugt war, den geschlossenen Lebenskreis zu durchbrechen.
Demzufolge wurde bei den Hofverkäufen in erster Linie die verbrieften Rechte der
uralten dritten Generation berücksichtigt, welche sich für die Familiendiskussion,
„wie es gehalten werden soll", nicht mehr persönlich zu engagieren brauchte und
sich auch nicht mehr verbeistanden lassen mußte, sondern gelassen mit dem Kopf
nickend, den zahnlosen Mund zu einem Lächeln formend, sagen konnte: Oh,
machet doch was dr wänn", denn ihre Rechte waren durch den alten Vertrag, der
25—30 Jahre zuvor geschrieben wurde, gesichert, denn kein neuer Kaufvertrag
durfte in Rechtswidrigkeit den bereits bestehenden gefährden oder ändern. Nicht
selten auch verzichtete die zweite Generation auf gewisse Naturalbezüge und Verkäuferrechte
zugunsten der Uralten „solange dieße noch am Läben sind" und
wurden erst fällig, „wenn dieße mit Todt abgehen", damit der junge Käufer nicht
über das gebotene Maß hinaus belastet wurde.

Die zweite Hauptsorge der verkaufenden Eltern galt den Nachkommen „damit
jedes Kind sein Sach rächt bekommt", denn diese hatten allesamt in Gleichheit
dieselben Ansprüche an den elterlichen Besitz, jedoch nur einer, höchstenfalls zwei,
konnten diesen Besitz geschlossen kaufen, die übrigen Kinder wurden mit Bargeld,
entsprechend dem Besitzwert, in gleichen Teilen abgefunden. Zu keiner Zeit konnte
ein Waldbauer behaupten: „er habe Geld wie Heu", denn er hatte nachweislich
immer mehr Heu wie Geld, wobei ersteres nicht einmal ausreichte in einem langen
und harten Winter, um den vorhandenen Viehbestand durchzubringen; wo also
sollten die Gulden und Kreuzerlein lagern, um sämtlichen Kindern zu seinen
„Lebzeiten" das mütterliche und väterliche Vermögen gerecht auszuzahlen? Dementsprechend
also griff der Hofverkäufer auf das uralte, bewährte System zurück
und erklärte dem Käufer verbindlich, mit dem Kauf, der meist bargeldlos abgewickelt
wurde, die Forderungen seiner Geschwister an den Besitz als „Passivschuld
" zu übernehmen. Hatten zum Beispiel verheiratete Töchter bei der Ver-

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