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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
40.1978, Heft 3/4.1978
Seite: 324
(PDF, 42 MB)
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war der satte Ton der Kasse sehr oft ausschlaggebend für die Brautwerbung und
das laute und gehauchte „Ja". Die jungen Hofkäufer- und Käuferinnen hatten in
der Regel beim Hofkauf kein Bargeld, denn ihr „gerechter Anteil" wurde nicht „in
bar ausgeworfen", sondern von der Kaufsumme abgezogen und lag auf dem Besitz.

Dem jungen Waldbauer war also nicht nur mit einem „lieblichen Jümpferli"
gedient, welches sein Herz Tag und Nacht erfreute, sondern er brauchte in erster
Linie eine Frau, die „zupacken" konnten und einen „Wurf" in bar, oder verbindlich
auf dem Papier, mit in die Ehe brachte und die blühende Hofkäuferin
brauchte nicht nur einen schaffigen Mann, der sie herzhaft in die Arme nehmen
und drücken konnte, sondern in erster Linie einen „Mann mit Wurf", welcher das
hatte, was ihr notwendig fehlte. Demzufolge scheinen sich Hebels „Hans und
Verena", die im Versmaß besungenen gefühlvollen Idealisten, sich nicht im Waldland
gefunden zu haben, denn ein „Hans ohne Wurf" konnte ein „Vreneli mit
Land ohne Geld" nur im Ausnahmefall zum Traualtar führen und umgekehrt
auch.

Eindeutig stehen die vorhandenen Hofübergabeverkaufsverträge in soziologischer
Wechselwirkung mit den vorhandenen Eheverträgen jener Zeit, denn mit dem
Hofkauf wurde im Anschluß sehr oft der „Eheverspruch" oder die „Eheabrede"
des Hofkäufers schriftlich gefertigt, welche nicht nur das Gelübde der ewigen ehelichen
„Lieb und Treu" enthielten, sondern hauptsächlich errichtet wurden, um
zwischen den „Neuverlobten" oder Jungvermählten „etwas über ihr ehrliches und
zeitliches Vermögen ordnen zu wollen", besagten, was im Endeffekt darauf hinauslief
, daß der Partner mit „Wurf" und der Partner mit „Land" ihre Teile in
einen Topf warfen, kräftig herumrührten und bestimmten, daß alles „dasjenige
Vermögen, welches sie bis dato zusammenbringen, während der Ehe ererben, er-
hausen, erringen und an sich bringen, es möge bestehen worinnen es wolle, beweglich
oder unbeweglich, ein gemeinschaftliches Gut und Vermögen sein solle."
So landete der Wurf des einen auf dem Nachbarhof des andern oder drei Ortschaften
weiter und kam unter Umständen nach zwei Generationen mit dem
Geläut der Hochzeitsglocken wieder auf den Hof oder in die Verwandtschaft
zurück.

Im übrigen wurden die Waldbauernkinder, welche beim elterlichen Hofverkauf
minderjährig waren oder den passenden Anschluß noch nicht gefunden
hatten, mit dem Besitzwechsel keinesfalls heimatlos, denn die Vorsorge der Eltern
bestimmte zweifelsfrei, daß „diese den ungehinderten und freien Unterschlupf im
Hauß" behielten, solange sie ledig waren. Bekanntlich ging schon damals die
Natur sehr oft seltsame Wege und schuf durch die geburtsbedingten Zufallsgeschlechtsmerkmale
im Laufe der Jahrzehnte jeweiligen Frauen- oder Männerüberschuß
, welche den Stand der alten Jungfern und Junggesellen mitbegründeten, die
im offenen Land so notwendig als Knechte und Mägde benötigt wurden. Sofern
sich auch trotz „Lidlohn und Wurf" kein Freier fand oder sich keine Einheirat
bot, kehrte das Waldkind bei Krankheit, Not und Alter in die Heimat der Väter
zurück, nahm sein freies Wohnrecht in Anspruch und verpfründete sich mit seinem
Vermögen bei seinen Geschwistern auf dem Hof gegen „freie Kost, Feuer, Licht
und Pfleg". So kam auch in diesem Falle der „Wurf" auf den Hof zurück und
wurde noch von den Großneffen und Großnichten respektiert, die ihren „Jacobvetter
" und ihre „Annagotte" als selbstverständlich zum Hofinventar gehörig
betrachteten.

Selbst die 62jährige Witwe Niefenthalers in Bürchau sicherte ihrem jüngsten
Sohn Michel, der als „großherzoglich-badischer Soldat im napoleonischen Feldzug
verschollen war, ohne daß von seinem Todt oder Leben etwas bekannt", beim
Hofverkauf 1816 an den ältesten Sohn Georg „den unentgeltlichen Haussitz,
falls er wieder nach Hause kommt" und setzte für ihn einen Pfleger ein, der in
seiner Abwesenheit seine Rechte bei den Hofverkaufsverhandlungen wahrnahm.

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