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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 81
(PDF, 39 MB)
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System realisiert wurde. In diesem Landtag, aus diesem Dualismus heraus, entstand
die erste moderne politische Bewegung in Deutschland: der Liberalismus.

Bei der Betrachtung Badens muß ein weiterer Punkt herangezogen werden, der
mit dazu beitrug, daß dieses Land einen ungewöhnlichen Weg ging. Dieses Baden
war ein Grenzland. Es grenzt an die Schweiz und an Frankreich. Diese Grenzlage
zur freisinnigen Schweiz und zum aufgeklärten revolutionären Frankreich ließen
deren moderne politische Ideen hier am ehesten Fuß fassen. Hierhin brandeten
die ersten Wellen der Revolution und in Basel wurde ein Büro installiert mit dem
Auftrag, die Markgrafschaft, den Breisgau und den Schwarzwald für den Revolutionsgedanken
, für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu erschließen. Der
Marquis von Poterat hatte Instruktionen, Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung
durchzuführen, die eine moderne Verfassung für Deutschland geben
sollte.

Weit früher als in den anderen Ländern des Deutschen Bundes oder des alten
Reiches veränderten sich hier in Baden die Grundanschauungen über Rechts-,
Staats- und Wirtschaftslehre, drangen Ideen von politischer und sozialer Gleichheit
in das Bürgertum hinein.

Das waren die Voraussetzungen, in dem Augenblick, als am 8. Juni 1815 die
Deutsche Bundesakte den Schlußstrich unter die Aera Napoleon setzte.

Es war ein großer Tag, als am 22. August 1818 der Großherzog die Verfassung
verkündete. Diese Verfassung, die — der Zeit entsprechend — als Geschenk des
Monarchen an seine Untertanen gewertet wurde, galt als die freisinnigste Verfassung
der Zeit. Zwar vereinigte der Großherzog in sich sämtliche Rechte der
Staatsgewalt. Doch auch der badische Untertan erhielt erstmals staatsbürgerliche
und politische Rechte. Die Gleichheit aller vor dem Gesetz und bei der Steuererhebung
wurde festgelegt. Das Eigentum und die persönliche Freiheit wurden
unter den Schutz der Verfassung gestellt. Enteignungen wurden verboten und die
Gewissens- und Glaubensfreiheit ausdrücklich gewährt.

Für das 19. Jahrhundert, das eben erst den fürstlichen Absolutismus überwunden
hatte, war diese Verfassung der Beginn einer neuen Zeit. Anstelle der geistlichen
und adligen Standesvorrechte trat nun die bürgerliche Gleichheit vor dem
Gesetz. Anstelle fürstlicher Willkür und absoluten Untertanentums trat nun der
konstitutionelle Staat, bei dem die Bürger an der Gesetzgebung und an der Verwaltung
teilhaben, so sogar Mitverantwortung tragen konnten.

Mit dieser Verfassung wurde Baden zum einheitlichen Staat geformt. Der Freiburger
Professor Karl von Rotteck begrüßte sie mit den Worten

„Die Verfassung hat uns ein politisches Leben als Volk gebracht."

Die Abgeordneten hatten nun die Aufgabe, die Verfassung zur Wirklichkeit zu
machen. Sie, die unter der Parole „Wählt freimütige Verfassungsfreunde" gewählt
wurden, forderten persönliche Freiheiten gegenüber dem Staat und wandten sich
gegen fürstliche und staatliche Machtpolitik. In ihnen lebte das Bewußtsein, daß
es nicht die Fürsten waren, die Deutschland von der Fremdherrschaft befreiten,
sondern das Volk. Das machte sie selbstbewußt. Man verehrte den Monarchen, doch
man dachte konstitutionell. Einigend war das geschlossene Auftreten gegenüber
dem Absolutismus. Zum Freiheitsgedanke kam der Einheitsgedanke und verband
sich zum nationalen Ideal. Das Ansehen des badischen Landtages, der zur
Macht in der öffentlichen Meinung wurde, zeigt sich in dem Wort eines Zeitgenossen
:

„Das Wort, im Ständesaal zu Karlsruhe gesprochen, klingt erhebend, beruhigend
, belehrend vom Fuß der Alpen bis zum Ufer des deutschen
Meeres wieder."

Musterland des Parlamentarismus, Musterland demokratischer Versuche — das
war Baden im vormärzlichen Deutschland. Hier wurde erstmals der demokratische

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