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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 100
(PDF, 39 MB)
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Jugendroman „Wiltfeber" (1912) erhielt dennoch den u. a. von vielen Juden
gestifteten Kleist-Preis (1913) und trug Burte die Freundschaft des Juden Walther
Rathenau ein. Das war alles noch vor dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Kriege
folgten weitere Ehrungen: 1924 das Ehrendoktorat der Universität Freiburg i. Br.
und 1927 (gemeinsam mit dem Pazifisten Fritz von Unruh und dem Juden Franz
Werfel) der Schiller-Preis. Die Geburtsgemeinde Maulburg ernannte Hermann
Burte unter ihrem sozialdemokratischen Bürgermeister Kuttler zum Ehrenbürger,
und Prof. Dr. h. c. Karl Berger, der bekannte Schiller-Biograph, hielt eine hochgestimmte
Lobrede auf ihn. Er verübelte es aber Burte zwei Jahre später sehr, daß
dieser der Partei 1931 nicht angehören wollte, sondern sich im Pen-Club Basel und
im Rotary-Club der Rheinstadt eher zu Hause fühlte. Erst 1936 gab Burte einem
Druck von Berlin nach, als er der Partei schließlich doch beitrat, machte aber
ihrem Machtstreben gegenüber Vorbehalte. Zur Zeit, da das Dritte Reich über
einen großen Teil Europas gebot, hielt Burte seine „Sieben Reden" (erschienen
1943). Im Vorwort erklärt er: „Alle diese Reden sind aus der Zeit für die Zeit
gesprochen, in der Schau auf das unzerstörbare ewige Deutschland und in dem
Sinne, daß der Geist Meister wird in der Welt, es geschehe, was da mag." In gleicher
Gesinnung wollte er auch den Satz: „Das Beste in der Welt ist der Befehl"
aus dem „Wiltfeber" als „geistigen Impuls" verstanden wissen. Dazu paßt allerdings
schlecht, daß er Schiller besonders als „Dichter des Soldatischen und Heldischen
" preist und seine Freiheitsbotschaft nicht gebührend würdigt. Und war es
nötig, Hitler den „deutschen Helden, den Erlesenen der Nornen, den Retter und
Löser der Nation" zu nennen? Burte hat später erklärt, er habe eben in Hitler den
Hüter der damaligen Ordnung gesehen. Wir stehen nicht an, zu erklären, daß
Burte sich politisch in der Richtung irrte und in der Tonlage vergriff. Da er, nach
dem Zeugnis eines seiner schweizerischen Freunde, in Basler Kreisen einst mit
Spott über Hitler nicht kargte, bei Trägern der Bewegung aber in eine andere
Kerbe hieb, so ergab sich zweifellos eine Schwäche und Anfälligkeit Burtes, die
man ruhig wahrhaben soll und nicht vertuschen darf.

Gewiß wird man einwenden, so etwas sage sich aus schweizerischer Sicht und
obendrein ein Menschenalter danach mit anderer Entwicklung leicht; damals sei
aber ein Beiseitestehen im deutschen Raum lebensgefährlich gewesen. Ich halte
dafür, daß Burte Hitler mehr Beifall zollte, als die nackte Not erheischte und zu
verantworten war. Da darf ich wohl einflechten, daß ich mich vor dem Zweiten
Weltkrieg im Hauptberuf der Politik verschrieb, d. h. der Abwehr totalitärer Einflüsse
in der Schweiz. Aber gerade deshalb, d. h. also, weil wir in Zeiten der Entscheidung
„das Heu auf ganz verschiedenen Böden hatten", darf ich für den Dichter
Burte eintreten, gemäß der Uberzeugung des unverdächtigen Golo Mann, daß
„man die Poesie von Hermann Burte weiterleben lassen sollte".

Hat der Dichter Burte den Anspruch auf Gehör verwirkt?

Wer totalitär denkt, ist versucht zu sagen: politische und dichterische Haltung
sind eins und damit untrennbar; kommt ein Staatsgedanke in Verruf oder zu
Fall, so fällt auch, wer ihn vertrat, und zwar mit seinem ganzen Lebenswerk. Ich
finde das nicht sinnvoll. Ein Beispiel von ungleich herberer Schärfe: Sollte man die
Verse von Francois Villon nicht erschütternd und wertvoll finden, weil ein Wegelagerer
, Einbrecher und Raufbold aus dem spätmittelalterlichen Paris sie geschrieben
hat? Nicht doch, sie gingen mit Recht in die Weltliteratur ein. Burte hat
keine Gewalttätigkeiten begangen und es redlich bereut, daß er einen Gewalttätigen
falsch eingeschätzt hat, und auch dafür gesühnt. Ist es richtig, ist es verdienstlich
, ist es tapfer, gegenüber einem Manne, der sich nicht mehr selber wehren
kann, nun als Nachrichter zu amten? Burte hat ja selber eingesehen, daß seine
Abstecher in die Politik zeitbedingt und auch zeitbefangen waren. Es ist nun aber

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