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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 120
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0126
für Betstunden und Wochenpredigten, die monatlichen und den allgemeinen Buß-
und Bettag, Beicht und Nachtmahl zu bearbeiten. a). Der Ausführung dieser
Aufgabe ging eine intensive Überlegung der sehr komplexen Problematik voraus,
die sich dann in einem Programm mit sechzehn Punkten niederschlug. Wir bringen
zwei davon im Wortlaut und nennen von den übrigen den Zentralgedanken:

I. Wir haben unsere Gebete und Predigten von der alten Dogmatik gereinigt,
reinige Gott auch unsern Stil von allem Schlendrian des Ausdrucks, von
allem Hinüberdrehen ins Homiletische und Geistliche und Biblisch-Paulinische
. Tausche der liebe Gott uns gegen diese fremde Zunftssprache unsere
natürliche Sprache wieder ein, die wir verloren haben, damit wir beten
können, wie die lieben Kinder zu ihrem lieben Vater, nicht wie steife
Handwerksgenossen und Alt-Gesellen im geschworenen Gruß. [. . .]

8. Was macht ein Kirchengebet schwer?

1) Daß es für Einfältige gerecht seyn soll. Gelehrten ist nicht nur gut
predigen, sondern auch gut beten!

2) Daß es für Gebildete und Aufgeklärte zugleich gerecht seyn muß.

3) Daß es für beide nicht nur einmal, sondern lang und oft gut bleiben
soll. Gibts noch viel schwerere Aufgaben als diese?

Ich kann hier den Inhalt nur rasch stichwortartig wiedergeben. Selbstverständlich
ist die eine oder andere Äußerung aus dem Charakter des Kirchengebets zu
erklären, das ja nicht ein Lese-, sondern ein Gebrauchstext ist, in dem an die Stelle
der zweiseitigen Autor-Leser-Beziehung eine dreiseitige zwischen Verfasser-Beter-
Angebetetem tritt.

Der Verfasser von Kirchengebeten muß fünf Ansprüchen genügen, aus deren
Erfüllung die Qualität des Textes hervorgeht:

1. Er muß über hohe Sprachbegabung verfügen und von Verantwortungsbewußtsein
getragen sein.

2. Er darf nicht nur in den Mitmenschen hineinsehen, sondern muß mit ihm
eins werden, um aus ihm herausbeten zu können.

3. Er muß das Geistige ins Sicht- und Faßbare zu transponieren vermögen.

4. Er muß mit den Stilmitteln maßhalten.

5. Er darf nicht durch unangebrachte Aufzählungen die Stimmung verderben.
An das Gebet selber werden folgende Forderungen gestellt.

6. Es muß die Kraft haben, den Angebeteten zu vergegenwärtigen.

7. Es darf auf besondere Verhältnisse nicht zu spezielle Rücksicht nehmen.

8. Es muß dem Beter jeder Bildungsstufe immer wieder dienen.

9. Es sollte eher Dank als Bitte sein.

10. Es darf bei der Vermeidung des Besonderen doch auch nicht zu allgemein
gehalten sein.

II. Es muß auf den ganzen Menschen wirken.

12. Es muß schön sein.

13. Es darf sich nicht krampfhaft auf eine bestimmte Stilhöhe festlegen.

14. Es darf nicht zu stark gefühlsbetont sein.

15. Es soll natürlich und kunstlos scheinen.

16. Es soll nur Wesentliches enthalten.

Einige dieser Punkte lassen sich mit solchen aus der Denkschrift gleichsetzen,
andere sind neu und auf den besonderen Auftrag zugeschnitten. Es steht hier nicht
zur Diskussion, wie weit Hebel seine Forderungen in den Gebieten verwirklicht
hat. Soviel aber kann gesagt werden, daß sich sowohl die „Alemannischen Gedichte
" als auch der Kalender genau an das abgesteckte Feld halten. Hebel erachtete
es auch für zweckmäßig, mit dem Zuhörer — oder eben dem geneigten
Leser — immer in seiner Sphäre, die er selber übersieht [. . .], zu bleiben und
nur seltener Blicke darüber hinaus zu tun 14). Besonders aufschlußreich scheint mir

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