Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 129
(PDF, 39 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0135
faßt, weil sie alles was sie zu geben hat, zur klaren Anschauung bringt,
nur durch Einfachheit und Natur, nicht durch conventionelle Schönheiten
im Ausdruck gefallen will, und nur auf jene, nie auf diese ihre Effecte
berechnet. Ihre Schreibart verschmäht jeden unnötigen Wortaufwand, sie
ist gediegen, kräftig und würdig 58).
In die gleiche Richtung deutet auch die zweite Forderung nach Qualität. Damit
weist Hebel selber seine nachgeborenen Kritiker zurück, die ihm Nachlässigkeit
in sprachlichen Belangen vorwerfen, weil er die Konstruktionen der gesprochenen
Rede aufgenommen hat. Seine scheinbaren Nachlässigkeiten sind nicht Ausdruck
des Schlendrians oder des Unvermögens, sondern mit raffinierter Berechnung gesetzte
Stilfiguren. Und weiter zeigt die zweite Forderung, daß eine angemessene
Ausdrucksweise für Hebel mehr ist als eine Geschmacksfrage, nämlich eine moralische
Entscheidung:

Schmidt erlaubt sich viele Nachlässigkeiten im Stil — vielleicht absichtlich!
Aber es gehört ein geübter Takt dazu und eine vertraute Bekanntschaft
mit der menschlichen Sprache, um nicht scheinbare Nachlässigkeiten, die den
Effect erhöhen, mit den wirklichen zu verwechseln, die ihn fast allemal
schwächen **).

Es ist erstaunlich, daß Walter Benjamin, der diesen Traktat sicher nicht gekannt
hat — er hätte ihn in der Handschrift lesen müssen —, in seinem Aufsatz über
Karl Kraus 60) unter dem Stichwort „Takt" auf Hebel als Antipoden zu reden
kommt:

„Wenn man bei Johann Peter Hebel die konstruktive, schöpferische Seite
des Takts in ihrer höchsten Entfaltung findet, so bei Kraus die destruktive
und kritische. Für beide aber ist der Takt moralische Geistesgegenwart —
Stössl sagt „in Dialektik verfeinerte Gesinnung" — und Ausdruck einer
unbekannten Konvention, die wichtiger ist als die anerkannte [. . .]
Denn Takt ist nicht etwa — wie nach der Vorstellung Befangener — die
Gabe, jedem unter Abwägung aller Verhältnisse das ihm gesellschaftlich
Gebührende werden zu lassen. Im Gegenteil: Takt ist die Fähigkeit, gesellschaftliche
Verhältnisse, doch ohne von ihnen abzugehen, als Naturverhältnisse
, ja selbst als paradiesische zu behandeln und so nicht nur dem König,
als wäre er mit der Krone auf der Stirne geboren, sondern auch dem Lakaien
wie einem livrierten Adam entgegenzukommen. Diese Noblesse hat
Hebel in seiner Priesterhaltung besessen, Kraus besitzt sie im Harnisch" 61).
Als dritter grundsätzlicher Einwand gegen Schmid wird sein Mangel an Verständlichkeit
hervorgehoben. Es kann ja nicht die Aufgabe des Volksschriftstellers
sein, dem Leser nur anspruchslose Sachverhalte mitzuteilen, vielmehr ist es seine
Pflicht, ihm die Wirrnis der Umwelt auseinanderzulegen, durchsichtig zu machen
und die dahinter liegende Ordnung zu deuten.

Aber auch einer sogenannten Popularität scheint er nicht genug Meister zu
seyn, die das, was der gebildete Mensch in kunstreicheren Formen zu geben
und zu empfangen gewohnt ist, dem Ungebildeten nur aufläßt und gleichsam
durch einen Übersetzungs-Prozeß in seiner Sprache zur Empfänglichkeit
bringen will

Welche Höhen der Versuch, dem einfachen Leser selbst bei den schwierigsten
Gegenständen verständlich zu bleiben, erreichen kann, zeigen Hebels Aufsätze
über das Weltgebäude, von deren erstaunlichen Didaktik wahrscheinlich auch
Brecht in der ersten Szene seines „Leben des Galilei" beeinflußt ist.

Nach diesen allgemeineren Einwänden geht Hebel über zu einer Kritik der
sprachlichen und stilistischen Einzelheiten, die besonders den zuletzt besprochenen
Punkt der Verständlichkeit illustrieren. Schmids falsche Popularität offenbart sich:
a) Durch gar manche Ausdrücke, die in der Volkssprache ganz unüblich, unklassisch
, unverstanden sind, wozu ich genug Beispiele zu geben bereit bin.

129


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0135