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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 131
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0137
zur Sprache des Glaubens auch zur Aussage säkularer gefühlsbetonter Inhalte
greift. Dieses Ubergreifen und Vermengen verschiedener Bezirke mußte zu einer
Steigerung und Emanzipation der irdischen Welt von der jenseitigen, zu einer
Ersatzreligion in der Kunst und am Ende zu l'art pour l'art führen. „Anstelle des
Heiligen Geistes, oder nur des Geistes der Gemeinschaft, tritt der 'Geist', im
besten Fall die freischwebende Inspiration, oft nur Geistreichigkeit für die
Wenigen, und für alle Andern Steine statt Brot" 71). Man wird sich erinnern, daß
Hebel diese erste Position schon in den „Ideen zur Gebetstheorie" bezogen hatte.

Die zweite Abgrenzung zieht Hebel, bei aller Ehrerbietung, gegen Ewald und
die „wort- und gefühlsselige Betriebsamkeit der erweckten Kreise, von denen
das Karlsruhe Carl Friedrichs, Jung-Stillings und Brauers viele Spielarten aufwies
" 7S), und in denen das Christliche aus der einheitlichen Welt, in der Hebel
lebte, als selbständiger Organismus hinauszutreten, alles Wesentliche an sich zu
ziehen und „das gemeinde Wesen ohne Seele" 73) zurückzulassen versuchte. „Für
ihn waren die beiden neuen Richtungen, Halbsäkularisation und Flucht in die
kleinen Kreise schon dadurch gerichtet, daß da der gemeine Mann und das Schulkind
, wie er beide kannte und als Teil seines Wesens in sich trug, nicht mitkonnten
" 74). Diese letztere Erkenntnis scheint mir von ähnlich grundsätzlicher
Art wie jene von Benjamin über den „Schlüssel der artistischen Meisterschaft" 7ä)
zu sein und dürfte in der zukünftigen Hebel-Philologie wegweisende Bedeutung
beanspruchen.

Aber alle diese größtenteils neuen Grundsätze, die aus dem anhaltenden Ringen
um Klarheit über die Aufgabe des Schriftstellers stammten, wären schöne Worte
geblieben, wenn nicht ein präzises Instrument ihre Verwirklichung ermöglicht
hätte: das handwerkliche Können. Dieses Instrument stand Hebel zweifellos zur
Verfügung, aber er war nicht von ungefähr damit ausgezeichnet worden, sondern er
hatte es selber in unablässiger Bemühung zugeschliffen und vervollkommnet. Es
war das Ergebnis einer lebenslangen Schulung an den Lehren der klassischen Rhetorik
und einer gründlichen, alle Wissensbereiche umfassenden Lektüre, welche
die in den „Gedanken" für die zweite Klasse des Pädagogiums geforderte Leseerfahrung
gewährleistete und deren Exzerpte ein unerschöpfliches Stoffreservoir
darstellten. Die formale Meisterschaft und der Stoffreichtum waren es, die Hebel
im Augenblick der Bewährung die Umsetzung seiner grundsätzlichen Einsichten ins
schriftstellerische Werk ermöglichten. Katz sagt darüber:

„Dabei dürfen wir wirklich von einem Wunder reden: der Kunstverstand
hatte in einem Genius Platz genommen und war diesem so völlig Untertan,
daß wir höchstens auf Grund eingehender Analysen um Hebels Grundsätze
wüßten, hätte sein Amt und das besondere Anliegen ihn nicht veranlaßt,
einmal zu Papier zu bringen, was ihm zweite Natur geworden war und
das feste Gerüst seines so spontan anmutenden Schaffens bildete" 7").

Wir müssen uns versagen, weiter auf den Kommentar von Katz einzugehen,
obschon noch genügend Wesentliches darin stünde. Er spricht von der Originalität
Hebeischen Denkens, das ihn in Gegensatz bringe zu den „Zeit- und Zunftgenossen
", weist auf die Bescheidenheit hin, die in dem Lob liege, das der Vorläufer
Ewald in Hebels Gutachten erhalte, und wirft dann die Frage auf, wie weit
Hebel selber seinen Grundsätzen zu folgen vermocht habe. Dabei stellt er fest,
daß die liturgischen Formulare hinter den „Ideen zur Gebetstheorie" zurückbleiben
, daß die späteren Teile der „Biblischen Geschichten" nicht überall die Höhe
der alttestamentlichen Erzählungen erreichen, daß aber auch in ihnen wie überall
„jene ächte und edle Popularität" durchscheine. Äußerst wichtig ist jedoch noch
die Erkenntnis über die Entstehung der Hebeischen Hauptwerke:

Alle sind sie gleich gekonnt, gleich „spontan". Aber es ist eine Spontanietät
eigener Art. Uberall ist Hebels Schaffen ein Distanzschaffen. In allem ist

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