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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 139
(PDF, 39 MB)
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die Stimmung kühler Unbeteiligung vorherrscht. Umso auffälliger ist es dann,
wenn von Grauen, Mitleid und Angst die Rede ist.

Was Berichte über Träume von solchen über wirkliche Ereignisse unterscheidet,
ist nur selten das Phantastische, Überirdisch-Wunderbare, Irreale. Das ist vielmehr
Kennzeichen des literarischen Traumberichts. Meist wird etwas ganz Banales,
Alltägliches aufgezeichnet, und nur die Vielzahl der unverbundenen Einzelzüge
oder ein phantastisches Detail, das uns, die wir an Zusammenhänge und logische
Abfolgen gewöhnt sind, geheimnisvoll erscheint, weisen den Bericht als Traumbericht
aus. Die unbewußte Sicherheit, mit der wir hinter den unverbundenen
Elementen einen Sinnzusammenhang vermuten, dessen Erkenntnis uns aber zugleich
unmöglich erscheint, verleiht dem Traum seine Faszination.

Auch in Hebels Träumen ist ein phantastisches, irreal anmutendes Geschehen
eher selten. Am ehesten kommen seine Tierträume in Betracht, die deshalb zusammenhängend
vorgestellt werden sollen.

1. Der Traum vom Schmetterling, den Störeben und den Katzen 14).

Ein Traum steter Wandlung, in dem ein präparierter Schmetterling lebendig und zu
einem Storch, der Träumer aber aus der Karlsruher Studierstube auf die Wiesen von
Lörrach versetzt wird und in einer Kirche mit sechs Katzen verschwindet.
Der Traum verlockt zu einer Deutung. Denn allzu nahe liegt es, die Wandlung des
biologischen Demonstrationsobjektes in den heiligen Vogel der Proteuser und die
Versetzung des Träumers nach Lörrach als Symbol für Hebels Sehnsucht nach der
Freiheit des Proteusertums aufzufassen. Der Schmetterling als Bild für die menschliche
Seele ist geläufig, so daß man paraphrasieren könnte: Die Seele (des Träumers) wird
lebendig und schwingt sich aus der Karlsruher Studierstube auf die grünen Wiesen
der Heimat. Das weitere Geschehen (der Tod der jungen Störche unter den Füßen
der Lörracher und der Besuch des Träumers in der Kirche mit den sechs Katzen) läßt
sich allerdings nicht mehr so ungezwungen auflösen. Faßbar bleibt nur etwas Bedrohliches
und Unheimliches. So dürften wir den Traum allerdings nur verstehen, wenn
es sich um einen literarischen, d. h. auf Bedeutung angelegten Traum handelte,
oder wenn wir annähmen, Hebel habe einen Traumkern bewußt oder unbewußt
symbolisch ausgestaltet. Eine solche Ausgestaltung, deren sich der Aufzeichnende
nicht immer bewußt ist, liegt wohl auch in den Träumen Nr. 2, 3, 10 vor.

2. Der Traum vom Löwenbesuch 15).

Der Besuch eines Löwen in der Studierstube des Träumers — der Löwe ist das Tiersymbol
für Weisheit — mündet sehr schnell in logische Überlegungen über die Möglichkeit
, Löwen als Lehrer anzustellen. Traumhaft bleibt — abgesehen von der Tatsache
des Besuches, der wohl von Darstellungen wie Dürers „Hieronymus im Ge-
häus" angeregt ist — nur ein Detail: der Träumer stört sich besonders an einem
Ausschlag der Löwenpfote, die auf seiner Schulter ruht.

3. Der Traum von der blauen Maus 16).

Phantastisch ist die Gestalt der blauweißen Maus, zweieinhalb Jahre alt, weiblichen
Geschlechts, die plötzlich im Zimmer des Träumers auftaucht1T). Im Gespräch
mit ihm, der sie gegen ihren Willen gefangen hält, beträgt sie sich wie ein Mädchen
aus gutem Hause, der Träumer wie ein egoistischer Liebhaber. Das Gespräch hat
Hebel wohl bewußt ausgestaltet und ihm komische Züge verliehen.

4. Der Traum von den Verdammten in der Hölle 18).

Die Verdammten erscheinen im Traum in der Gestalt verschmachtender Fische, eine
Vorstellung, die Hebel offensichtlich verfolgt hat (vgl. den nächsten Traum). In dieses
harmlose Bild der Hölle mit skurrilen Zügen — die Fische liegen auf Buchenblättern
— bricht aber wirkliches Grauen, das auch den Träumer packt. Nicht aber durch
Schrecken und Qual, sondern durch den Versuch der Linderung der Höllenqual: Der
Träumer haucht einem Fisch Kühlung zu und ruft damit „einen so entsetzlichen
Ausdruck des Wohlbehagens" hervor 19), daß er sich abwenden muß.

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