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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 142
(PDF, 39 MB)
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gilt nur für die Dichtung und bleibt Theorie, denn seine eigenen, 1804 einsetzenden
Traumaufzeichnungen lassen wenig davon verspüren. „Die Traumaufzeichnungen
[Jean Pauls] bieten insofern eine Enttäuschung, als sie in keiner Weise Außerordentliches
, nicht einmal besonderen Reichtum an Bildern bringen." 41) Auffällig
sind nur die häufigen Flugträume, die sich zwanglos mit dem Motiv des
Schwebens in seiner Dichtung in Zusammenhang bringen lassen, und die Träume
im Traum. Deutlich ist Jean Pauls philosophische Ausrichtung: Zentrales Thema
der Traumaufzeichnung ist das Ich-Bewußtsein.4ä) Als Träumer war Jean Paul
keineswegs bildhafter und phantastischer als Hebel, eher steht er hinter ihm zurück
.

Enttäuschend sind aber auch die privaten Traumaufzeichnungen der Romantiker
. Schon ein Blick in Jezowers Sammlung zeigt, daß die gängigen Vorstellungen
von der romantischen Traumphantasie weit überspannt sind.43) Der immer wieder
pauschal als Kronzeuge aufgerufenen E.T.A. Hoffmann hat in seinen Tagebüchern
keinen einzigen Traum aufgezeichnet und in seinen Briefen nur einen,
einen auffallend literarischen Trunkenheitsraum.44) Auch in dem Briefwechsel
zwischen Bettina und Achim von Arnim spielen Träume kaum eine Rolle. Der
Grund für diesen spärlichen Befund liegt gewiß nicht in fehlendem Quellenmaterial
. Er wird deutlich, wenn man die sicherlich ernst und ehrlich gemeinten
Traumveröffentlichungen in Magazinen und Sammlungen der Zeit betrachtet.
Zwar war damals der Traum theoretisch schon längst als phantastisch wirres
Spiel der Einbildungskraft und als Pforte zu anderen Welten anerkannt, aber
diese Erkenntnis kam nur der Trzumdichtung zugute. Beim natürlichen Traum
richtete sich die Aufmerksamkeit nicht auf seine phantastische Seite, sondern auf
die ihm seit dem Altertum zugeschriebene Kraft der Weissagung, d. h. auf die
logisch nicht anstößigen Teile. Dementsprechend wurden die Traumkerne bewußt
oder unbewußt ausgestaltet. So zeigen etwa die in dem von Jean Pauls Freund
Karl Philipp Moritz zwischen 1783 und 1793 herausgegebenen „Gnothi Sauton
oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde" wiedergegebenen Träume, daß unangefochten
eine Vorstellung von dem wertvollen, der Aufzeichnung würdigen
Traum besteht: Das ist der prophetische Traum. Auf die gerade auch in diesem
Magazin ausführlich diskutierten Traumtheorien nehmen die Einsender gar
keine Rücksicht. Ob es sich um im Traum offenbarte Lotteriezahlen 45) oder um
die vorgeträumte Ermordung des Ehemannes handelt4S), die Art der Träume
bleibt sich über zehn Jahre hindurch gleich. Nie findet sich auch nur eine Spur
Phantastik. Dasselbe Bild zeigt auch ein volkstümlicheres, mehr an die Sensationsgier
appellierendes Magazin, das seit 1803 erscheinende „Museum des
Wundervollen". Wiedergegeben werden ausschließlich erfüllte Wahrsage- oder
Ahnungsträume. Da überrascht es nicht mehr, wenn auch eine „Sammlung der
merkwürdigsten Träume" aus dem Jahr 1812 sich ausschließlich dieser Art widmet
. Der Traum als phantastisches Gebilde hatte offensichtlich vor allem in der
Literatur seinen Platz, vom natürlichen Traum erwartete man Sinnvolleres. Hebel
dagegen muß die damals modernen, romantischen Traumtheorien ernst genommen
haben, wenn er die sonst so vernachlässigte Seite des Traums in seinen Aufzeichnungen
berücksichtigte und sich nicht scheute auch die wirren und bunten
Bilder seiner Träume aufzuzeichnen.

5. Zeitgenössische Traumtheorien

Für die Beantwortung der Frage nach den Gründen, die Hebel zur Führung
eines Traumbuches bewogen haben könnten, lohnt es sich, einen Blick auf die
gängigen Traumtheorien der Zeit zu werfen47). Denn solche Vorstellungen
bestimmen meistens nicht nur die Gestalt des Traumes, sondern liefern dem
Träumer auch die Motive für die Aufzeichnung.

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