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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 146
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0152
Winterhalde des Parnassus" 74) gerade im Jahre 1804 plötzlich auf75). Schließlich
— auch Jean Paul zeichnete erst dann seine Träume auf, als seine literarischen
Einfälle dünner zu fließen begannen 76). Allerdings — dieser Dichter entsprach mit
der verstärkten Hinwendung zum Traum nur der eigenen Theorie, Hebel müßte
eine ähnliche Dichtungsvorstellung gehabt haben, wenn die Träume bei ihm eine
ähnliche Rolle spielen sollten. Tatsächlich steht Hebel ganz unter dem Eindruck
der romantischen Inspirationstheorie, so wenn er vom „heiligen Anflug des
Genius" spricht oder die Befürchtung äußert, daß „der leise, begeisternde Anflug
[. . .] so unwiederbringlich verweht [sei], als er ungerufen gekommen ist" 77).
Am deutlichsten aber spricht er sich gegenüber Nüßlin aus:

Aber, lieber Freund, dieser Beyfall hat mich zur Fortsetzung nicht aufgemuntert
, sondern verzagt gemacht. Ich mag ihn nicht selber wieder
wegsingen. Der Geist, der damals so stille über mir schwebte, ist beschrien
und, ich fürchte, verschwunden. Es ist ein heiliger Geist von eigener Sonne,
der mit keinen Christglocken herbeizuläuten ist, wenn er nicht selber
kommen will78).

Hebel spricht hier eine so deutliche Sprache, daß ein Kommentar überflüssig ist.
Dichtung ist ihm heilige — nur nicht im christlichen Sinne — Inspiration. Das
bestärkt die Vermutung, die Traumaufzeichnungen seien ein Versuch, die Inspiration
herbeizuzwingen, freilich ein vergeblicher Versuch, dessen Scheitern aber
den Weg frei machte für die Entstehung der Kalendergeschichten. Vergeblich blieb
er wohl deshalb, weil Hebels Vertrauen in das Unbewußte doch zu schwach war,
um auf dieser Basis eine neue Dichtung zu wagen. Das zu unternehmen, war
späteren Zeiten vorbehalten.

Anmerkungen

(1) Längin: Ungedruckte Papiere (1882), S. 80—92.

(2) Z. B. Ausgabe Altwegg (2. Aufl. 1958), Bd. 1, S. 404—414 (verb. u. erg. Text).

(3) Badische Landesbibilothek Karlsruhe (BLB) H 89.

(4) An Dümge, 31. 12. 1803 (Briefe Bd. 1, Nr. 104, S. 182—183, dort S. 183).

(5) An Nüsslin, [31. 12. 1803—4. 1. 1804] (Briefe, Bd. 1, Nr. 105, S. 184 bis S. 187.
dort S. 186).

(6) An Haufe, 11. 5. [1805] (ebd. S. 255 bis S. 257, dort S. 255).

(7) z. B. an Gustave, 5. 7. [1812] (ebd. Bd. 2, Nr. 351, S. 544—545, dort S. 544).

(8) Längin: Ungedruckte Papiere, S. 222, Anm. 37.

(9) Eine Ausnahme machen E. Meckel: Umriß zu einem neuen Hebelbildnis (1957), S. 13,
der in Hebels Traum vom Abendmahl (Längin, S. 92, Altwegg, S. 414) ein Zeugnis
für die religiösen Spannungen des Dichters sieht, und W. Sommer: Der menschliche
Gott Johann Peter Hebels (1972), der die Aufzeichnungen als Dokumente für Hebels
„Schattenseite" (S. 16) wertet.

(10) I. Jezower: Das Buch der Träume (1928). Auch die beiden neueren Sammlungen
„Dichter erzählen ihre Träume. Hrsg. von Martin Kiessig" (1964, neu erschienen
1976) und „Das Inselbuch der Träume". Hrsg. von Elisabeth Borchers (1975) berücksichtigen
Hebel nicht.

(11) Das trifft zwar auf jede geistige Äußerung zu, aber nicht in gleichem Maße. Zudem
haben sich bei Träumen nicht so stark wie bei literarischen Texten Konventionen
des Verständnisses herausgebildet.

(12) Freud: Traumdeutung (Schriften II, S. 242).

(13) So in der Formulierung von M. L. von Franz: Die Passio Perpetuae (Jung: Aion,
S. 387—496, dort S. 390).

(14) Hebels erster Traum (23. 11. 1804). Längin, S. 80, Z. 26—31, S. 81. Z. 1—21.
Altwegg, S. 404, Z. 5—33.

(15) Der 4. Traum (4. 12. 1804). Längin, S. 82, Z. 31—32, S. 83, Z. 1—8. Altwegg,
S. 406, Z. 3—12.

(16) Hebels 7. Traum (13. 1. 1805). Längin, S. 84, Z. 16—28, S. 85, Z. 1—11. Altwegg,
S. 407, S. 16—36, S. 408, Z. 1—2.

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