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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 150
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0156
Dafür spricht der „Anspruch" der Residenz auf Hebel um so unverblümter
aus den Darlegungen Wilhelm Zentners: 5) „Tatsache ist, daß man den Zwanzigjährigen
zwar unter die 'Candidati ministeri ecclesiastici' aufnahm, jedoch keine
Verwendungsmöglichkeit für ihn wußte, indessen mancher Studiengenosse bereits
in einem Pfarrvikariate aufzog. Was blieb demnach anderes übrig, als den Staub
der Residenz von den Füßen zu schütteln und einem Ruf als Hauslehrer ins heimatliche
Oberland zu folgen? ... in der Uberzeugung, daß seine Rolle in Karlsruhe
zeitlebens ausgespielt sei."

Die neueste Biographie von Rolf Max Kully ist aus dem germanistischen Seminar
der Universität Basel hervorgegangen. Hebel wurde in Basel geboren, dort
reformiert getauft und besuchte die Petersschule („in der Petersschuel uf mym
harte Stuel"). Kully folgt weithin Zentner, und auch seine Urteile über Examen
und Wartezeit stimmen weithin mit diesem überein: 6) „Im September 1780 wurde
er geprüft und am 4. November (in Wirklichkeit vermutlich am 24. November,
vgl. unten) unter die Kandidaten des geistlichen Amtes aufgenommen, blieb aber
ohne Anstellung. Die früheren Gönner, vorab Preuschen, zogen sich brüsk zurück,
offenbar hatten die Ergebnisse ihren Erwartungen nicht entsprochen."

Alle diese Urteile gehen von der Voraussetzung aus, daß ein Kandidat der
Theologie sofort nach der Ablegung des Examens angestellt werden müßte. Das
ist heute der Fall: die Kirchenbehörden warten mit Schmerzen darauf, daß ein
neuer Examenskurs die Prüfungen ablegt und dann in die offenen Stellen eingewiesen
werden kann; Gemeinden, die Wiederbesetzung verlangen, werden „bis
nach dem Examen" vertröstet; die Einweisung in die neuen Stellen erfolgt sehr
oft telegraphisch, so sehr eilt es den Behörden. Aber das ist so erst seit der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts, seit der Zeit des akuten Pfarrermangels, und in früheren
Zeiten war es anders. Man lese einmal die Biographie von Paul Gerhardt,
wie sie in jedem Gesangbuchanhang zu finden ist. Er war 44 Jahre alt, als er seine
erste Pfarrstelle in Mittenwalde antrat. Ist diese lange Kandidatenzeit ein Beweis
für ein schlechtes Examen? Keineswegs. Um in Hebels Jahrhundert zu bleiben?
Abraham Candidus, der spätere Pfarrer von Neckarau bei Mannheim (geb. 1738
in Leimersheim in der Pfalz), war 40 Jahre alt, als er seine erste Pfarrstelle in
Oggersheim bekam. 7) Er hat in seiner Kandidatenzeit Schulden über Schulden gemacht
und ist sie zeit seines Lebens nicht mehr losgeworden. Diese beiden herausgegriffenen
Beispiele ließen sich beliebig vermehren. 8) Auf diesem Hintergrund
verblassen die zwei Jahre Wartezeit Hebels ganz erheblich.

2.

Im 18. Jahrhundert eilte es den Kirchenbehörden keineswegs, ihre geprüften
Kandidaten unterzubringen. Sie verfügen über eine ausreichende Personalreserve.
Um sie jederzeit einsatzbereit zu machen, wurde den Kandidaten aufgegeben, sich
möglichst nur kurzfristig zu „verdingen", so daß sie in aller Eile abgerufen
werden konnten, wenn sie gebraucht wurden. Die auf dem Hauslehrerdasein aufbauende
höhere Stufe war die eines Vicarius ad tempus. Die Bestellung erfolgte
ohne Mitwirkung des Kirchenrates, sozusagen auf rein privater Ebene. Wollte ein
Pfarrer eine größere Reise tun oder wurde er krank, so war es ihm unbenommen,
einen solchen Personalvikar einzustellen. Die Kirchenbehörde legte aber Wert
darauf, daß es ein von ihr geprüfter Kandiat war. „Freunde", d. h. aus einer
anderen Landeskirche stammende Kandidaten, genehmigte sie nur in Ausnahmefällen
, wenn sie selber keine Kandidaten in Reserve hatte, und das kam nur ganz
selten vor. Theoretisch war die Vergütung ganz in den Willen des „Ordinarius"
gelegt, die Gewährung von Kost und Wohnung verstand sich von selbst. Doch griff
auch hier die Kirchenbehörde ein, wenn der Vicarius ad tempus zu wenig Geldvergütung
bekam. So wird nach dem Kirchenratsprotokoll vom 5. Dezember

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