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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 153
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0159
wanderte Crecelius als Pfarrverwalter nach Grötzingen zurück. Doch wollten ihn
anscheinend die Grötzinger nicht als Nachfolger Tullas, so wurde er dann 1786
Pfarrer in Singen bei Durlach, einem auch heute noch sehr kleinen Dorf. War er
besser „versorgt" als Hebel?

Hebel wurde nach seinem Examen Vicarius ad tempus bei Pfarrer Schlotterbeck
(1728—86) in Hertingen. Es ist sehr wohl möglich, daß dieser ihm vor dem
Examen bereits diese Stelle angeboten und ihn auch bestimmt hatte, so früh sich
zum Examen zu melden. Denn es war durchaus üblich, daß man nach Ablegung
des akademischen Trienniums einige Jahre sich aufs Examen vorbereitete. Altwegg
hat nachgewiesen, daß Hebel keineswegs mittellos war, seine Eltern hatten ihm
einige Äcker vererbt, die Misere bestand nur darin, daß die Pächter, zumeist Verwandte
, den Pachtzins nicht bezahlten, zum Teil auch gar nicht bezahlen wollten
. lä) Schlotterbeck war nicht krank, jedenfalls nicht 1780 und 1781. Er laborierte
aber an einer „moralischen Krankheit", jedenfalls nach den Anschauungen der
Zeit. Er hatte ein Tabu verletzt, das manche „Fromme" jeder Zeit für „Frömmigkeit
" hielten, er hatte nämlich die Tochter des Wittlinger Scharfrichters geheiratet
in zweiter Ehe, während seiner Amtszeit in Teningen (1764—1766). Die Folge
war, daß die Teninger ihren Pfarrer ablehnten. Da die Hertinger ihren Pfarrer
Schlotterbeck, den Sohn eines Karlsruher Hofrates, in seiner ersten Amtszeit
(1755—1764) sehr gern gehabt hatten und ihn nur ungern hatten nach Teningen
ziehen lassen, bekamen sie ihn 1766 wieder. Aber auch bei ihnen war das Tabu
noch so mächtig, daß immer mehr Gemeindeglieder sich seiner Predigt und erst
recht den Sakramenten entzogen. Hat man doch in jener Zeit den Henkern und
ihren Familienmitgliedern die Plätze in den Kirchen streitig gemacht, so daß die
Behörden ihnen solche zuweisen mußten. Eheschließungen waren nur „unter sich"
möglich, so daß Ehestiftungen „über weite Landstriche hinweg" nötig waren.
Schlotterbeck hatte, seiner Zeit weit vorauseilend, dieses Tabu durchbrochen, die
konservativen Landleute des badischen Oberlands waren nicht in der Lage, ihm
zu folgen. Heute würde der Paragraph angewandt werden, daß ein Pfarrer, der
„mit seiner Gemeinde zerfallen" ist und auch anderweitig nicht „ersprießlich" verwendet
werden kann, in den Ruhestand zu versetzen ist. Aber das gab es damals
höchst selten. In der Regel blieb ein Pfarrer Inhaber seiner Stelle bis zu seinem Tod.
Es gab ja die geistliche Reservearmee der Kandidaten. Dieser „Defekt" Schlotterbecks
ist der wahre Grund für die Berufung Hebels nach Hertingen und nicht
der Unterricht für die Kinder Schlotterbecks und eines Hertinger Bürgers, wie
die drei Biographen wollen, wobei Zentner ihn immerhin noch als „Pfarrhelfer"
agieren läßt, der Wahrheit also am nächsten steht. 18) Altwegg hat das Verdienst,
festgestellt zu haben, wie fleißig der Personalvikar Hebel studiert hat. 17) Wohl
kein bedeutendes Buch aus Theologie und Belletristik, das damals erschien, ließ
Hebel ungelesen. Wie paßt dieser Tatbestand zum Bild des etwas leichtsinnigen
Erlanger Studenten? War Hebel ein „Spätentwickler", der erst nach abgelegtem
Examen zum „Verstand" kam und das während der eigentlichen Studienzeit
Versäumte nachholte? Wer wie Hebel in Rekordzeit sein Studium hinter sich
bringt, der ist kein „Spätentwickler". Und wer als „aktiver Student" bummelt
und wenig in seinem Studiengebiet arbeitet, der tut es in der Regel auch später
nicht, wo kein drohendes Examen ihn mehr zur Arbeit zwingt. Hebel war kein
unwissenschaftlicher Typ wie etwa der erwähnte Karl Martin Scheuermann,
sondern ein durchaus wissenschaftlich, unaufhörlich forschender Theologe, der
seine Zeit in Hertingen auskaufte.

3.

Das Kirchenratsprotokoll vom 17. Aug. 1781 (Nr. 998) berichtet, daß Pfarrer
Schlotterbeck mit Unterstützung des zuständigen Speziais den Antrag auf die

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