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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 165
(PDF, 39 MB)
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dazu, die Vielfalt der ästhetischen Normen, die alle Anspruch auf Gültigkeit erheben
, als eine unserer Zeit gemäße Erscheinung zu sehen.

Für den unbefangenen Betrachter ist deshalb die „Kunstscene" verwirrend, und
das kunsttheoretische Vokabular, mit welchem die gegenwärtige Kunst interpretiert
wird, ist selten eine Hilfe für ihn. Dazu kommt, daß Künstler ihrem
Wesen nach elitäre Prinzipien vertreten, die den Betrachter oft nur zwischen der
Alternative des Anempfinders und der des Unwissenden oder gar Rückständigen
wählen lassen. Dr. W. Schmalenbach beschreibt die Situation der Kunst in bezug
auf die Gesellschaft (1969, Basel) so:

„Die Demokratie, die die unerläßliche Bedingung der künstlerischen Freiheit
ist, verhindert gleichzeitig die demokratische Integrierung der Kunst, weil das
künstlerische Eliteprinzip unweigerlich mit dem pluralistischen Prinzip der Demokratie
zusammenstößt".

Um einen eigenen Standpunkt zu gewinnen, ist es notwendig, die gegenwärtige
Kunst in Beziehung zur Vergangenheit zu setzen, damit man an sich der bildhaft
gewordenen Veränderungen und ihrer geistigen Hintergründe bewußt wird. Große
stilverändernde Einschnitte — wie etwa der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit
— bieten Vergleichsmöglichkeiten, die dem kritischen Verständnis der Gegenwart
, und nur darum kann es gehen, dienlich sein können.

In der hierarchisch geordneten Welt des Mittelalters nahm das Kunstwerk keinen
hervorragenden Platz ein, es unterschied sich nicht von anderen menschlichen
Werken, die auf Brauchbarkeit und anschaubare Schönheit hin angelegt waren.
Zweck und Brauchbarkeit des Kunstwerks waren durch die Verwendung im Kult
gegeben. Das theozentrische Weltbild bestimmte die Aufgaben der Kunst und
stellte sie in den Dienst des Glaubens. Die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit
war der im Glauben begründeten Darstellungsabsicht unterworfen.

Während das mittelalterliche Kunstwerk einen belehrenden, beschreibenden
und auf Transzendenz der Schöpfung hinweisenden Charakter hatte, will das
Kunstwerk der Neuzeit, durch seine an der sinnlichen Wahrnehmung orientierte
Schönheit, die göttliche Ordnung im Diesseits sichtbar werden lassen. Die mit den
bildenden Künstlern oft identischen Theoretiker der Renaissance erhoben den Begriff
der Nachahmung zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Kunsttheorie. So
stellte Leonardo da Vinci den Grundsatz auf: „Dasjenige Gemälde ist das lobenswerteste
, das die meiste Ähnlichkeit mit der wiedergegebenen Sache hat". Die mittelalterliche
Kunst wurde für eine „veraltete" und von der „Naturwahrheit in
kindlicher Weise abirrende" Kunst gehalten. Die neue Kunst stützt ihre Regeln auf
die Wissenschaft von der Perspektive und der Anatomie und auf die Anwendung
von Harmonie- und Proportionsgesetzen. Der Mensch entdeckte den Raum und
sich selbst als ein raumgreifendes Wesen. Die geistige Orientierung hatte sich von
der theozentrischen zur anthropozentrischen Weltsicht verlagert.

Die wissenschaftliche Ausrichtung der Kunst schwächte sich in der nachfolgenden
Zeit zugunsten größerer individueller Freiheiten des Künstlers ab. (Die ekstatischen
Bilder von Greco können hier als Beispiel dienen). Die Abhängigkeit der
Bildgestaltung vom Naturvorbild lockerte sich und ließ dem Künstler einen
größeren Spielraum für Fantasie und Einfallsreichtum.

Die Lehre von der Kunst, die in der Renaissance dem künstlerischen Schaffen
Fundament verlieh, wurde zum Versuch, Kunst theoretisch zu legitimieren, wie
K. Kowalski schreibt. Im Zeitalter der Aufklärung faßte Kant diese Versuche in
seiner „Kritik der Urteilskraft" zusammen und wies damit einen Weg, der zur
Kunstauffassung des 20. Jahrhunderts führte.

Diese steht nun gleichermaßen im Widerspruch zur Kunstauffassung der Neuzeit
(Renaissance) wie jene zu den Gestaltungsprinzipien des Mittelalters, jedoch
mit dem Unterschied, daß unser reflektorisches Bewußtsein nicht mehr erlaubt, die
Auffassungen der Vergangenheit außer acht zu lassen.

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