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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 170
(PDF, 39 MB)
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Bücher und Zeitschriften

Alfred Straub, Das badische Oberland im 18. Jahrhundert — Die Transformation einer
bäuerlichen Gesellschaft vor der Industrialisierung — Matthiesen-Verlag 1977

Mit dieser 1974 als Dissertation und 1977 als Buch erschienenen Untersuchung liegt
nach den Arbeiten von Strobel und Tacke erstmals wieder eine Analyse sozioökonomischer
Verhältnisse im südbadischen Raum vor. Allein dies wäre ein Grund, sich hier näher mit
der Arbeit zu beschäftigen; darüber hinaus ist es ihre Fragestellung, die menschliche Verhaltensweisen
mit wirtschaftlichen Bewegungen zu vermitteln sucht.

Das Untersuchungsgebiet Straubs ist das „Oberland", die historische Bezeichnung für
die markgräflich regierten Teile des heutigen Markgräflerlandes. Es war ein „Bauernland
" (Gothein 1892), d. h. der größere Teil der Bevölkerung lebte noch von der Landwirtschaft
. Nur in Schopfheim und Lörrach war die gewerbliche Produktion bereits im
18. Jahrhundert ein wichtiger Faktor im Wirtschaftsleben der beiden noch recht bescheidenen
Landstädtchen.

Der entscheidende Marktort des Oberlandes war Basel, obwohl es politisch gesehen ja
eigentlich „Ausland" war.

Diesem Verhältnis zwischen der Stadt Basel als Waren- und Kapitalmarkt und dem
Land als Produzent und Schuldner widmet die Studie breiten Raum. Grundlage für diese
Untersuchung ist eine Erhebung der Getreide- und Weinpreise im Verlauf der langfristigen
konjunkturellen Entwicklung des 18. Jahrhunderts. Diese wirtschaftsgeschichtliche
Fragestellung wird mit einer sozialgeschichtlichen verbunden, es wird gefragt, welche Auswirkungen
die Konjunktur auf die soziale Schichtung hatte. Dabei — betrachtet man
die ganze Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der „Frühindustrialisierung" — haben
auch kulturelle und sozialpsychologische Faktoren eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.

Im Jahre 1709 lebten 76,3 Prozent der Erwerbstätigen im Untersuchungsraum ausschließlich
von der Landwirtschaft. 40,7 Prozent werden in den Quellen als „Bauern",
32,3 Prozent als „Tagelöhner" bezeichnet. Darüber hinaus werden noch in zwei Einwohnerverzeichnissen
„Einspänner" angegeben. (S. 23) Damit sind drei bäuerliche Sozialschichten
schon im historischen Bewußtsein bezeichnet. Das entscheidende Kriterium zur
Einordnung in eine der drei Gruppen ist nun aber für Straub — in Anlehnung an
ältere bevölkerungswissenschaftliche Arbeiten — nicht nur die Größe der landwirtschaftlich
nutzbaren Fläche oder die Betriebsgröße, sondern der Besitz zumindest eines Gespanns
und eines Pfluges. Wer ein solches Produktionsmittel nicht besaß — so die Tagelöhner
und die Tagelöhner-Handwerker — war in dieser Hinsicht bereits auf die Bauern
angewiesen, allein aber schon deshalb, weil das verfügbare Land nicht ausreichte. Die
soziale Situation der Tagelöhner bzw. Tagelöhner Handwerker war also durch geringen
Besitz an Boden, Abhängigkeit von den Bauern und eine hohe Krisenanfälligkeit gekennzeichnet
.

In diesem Zusammenhang wird dem Problem der Realteilung und des Kleingrundbesitzes
in den Dörfern des Oberlandes besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein.
An einer „Waldgemeinde", Gersbach, kann Straub dann zeigen, daß zwischen der
bäuerlichen und der unterbäuerlichen Schicht um die Nutzung der Allmenden Konflikte
bestanden. Den reicheren Bauern in Gersbach gelang es, einen Teil ihrer Güter der Schatzungsveranlagung
(Steuer auf Grund- und Hausbesitz) zu entziehen, dies war den
ärmeren nicht möglich. Eine genauere Abgrenzung der beiden Sozialschichten ist auf
Grund der Quellenlage schwierig, jedoch läßt sich vermuten, daß dieser Konflikt zwischen
„Zugbauern" und der winzige Landstücke bewirtschaftenden unterbäuerlichen
Schicht eine allgemeine Erscheinung war. (S. 31)

Konflikte zwischen sozialen Schichten mit unterschiedlicher Interessenlage gab es auch
in den „Reborten". Dort wie in den „Waldorten" bildeten die Vögte besonders zu Anfang
des 18. Jahrhunderts eine durch rechtliche Privilegien abgesicherte dörfliche Oberschicht.
Bald allerdings nahm der absolutistische Staat dieser Schicht die wichtigsten administrativen
Rechte und das Recht der niederen Gerichtssprechung zugunsten der eigenen Verwaltung
weg. Damit wurde eine endgültige Etablierung der Vögte „wirkungsvoll verhindert
" (S. 35). wie Straub meint. Allerdings wäre dagegen anzuführen, daß die Vögte
im ganzen Jahrhundert als Wortführer bäuerlicher Interessen auftraten, nicht zuletzt
beobachtbar zur Zeit der oberdeutschen Jakobiner. Demnach hätten sie auch in der
zweiten Jahrhunderthälfte eine dörfliche „Oberschicht" gebildet.

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