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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 1/2.1979
Seite: 171
(PDF, 39 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-01-02/0177
Im zweiten Teil der Arbeit Straubs wird die Bewegung der agrarischen Preise untersucht
. Eine herausragende Bedeutung mußte dabei der Wert des „Weinschlages" haben.
Dieser Weinschlag stellte einen von den markgräflichen und baslerischen Behörden festgelegten
Mindestpreis des Weins zur Verrechnung bei Schulden dar. Straub hat zunächst
die Preise des Basler Weinschlags präzis ermittelt und in einer Tabelle dargestellt,
(S. 39) darüber hinaus aber auch die Entstehung dieser Preise untersucht: Bei ihrer Aushandlung
war der „Marktmechanismus" lange Zeit hindurch durch das Abhängigkeitsverhältnis
zwischen Stadt und Land gestört. Die Grundlage dieser Abhängigkeit war die
Verschuldung des Landes. Zur Aufnahme dieser Kredite bei Basler Gläubigern waren
die Markgräfler durch Kriegszerstörungen, Kriegslasten und die hohen feudalen Abgaben
gezwungen gewesen. So konnten in der Folgezeit die Basler die Preise drücken.

In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts stiegen überall in Westeuropa bzw. im
Oberrheingebiet die Agrarpreise wieder allmählich. Dies schlägt sich auch in den ebenfalls
ermittelten Müllheimer Martinipreisen nieder. Durch diesen Aufwärtstrend war es
dann den Oberländern allmählich möglich, die Schulden zurückzubezahlen. Die Zahl der
verpfändeten Grundstücke und die Höhe der privaten und kommunalen Schulden ging
jedenfalls bis zur Mitte des Jahrhunderts wieder stark zurück. Dennoch war bis zu den
siebziger Jahren die Beziehung zwischen Basel und der oberen Markgrafschaft aber
dadurch gekennzeichnet, daß Basel in weit geringerem Maße von der Versorgung aus dem
Oberland, als dieses vom Marktort und Gewerbezentrum abhängig war. (S. 53) Die
Basler Bürger konnten noch lange Zoll verlangen, während sie selbst im Badischen
weder Schätzung noch Akzise (eine Art Mehrwertsteuer) zahlten. Bis zur Jahrhundertmitte
scheiterten auch die ersten Versuche zur Einrichtung von Manufakturen und Verlagsindustrien
am Widerstand der Basler, die eine unliebsame Konkurrenz erst gar nicht
aufkommen lassen wollten. (S. 82—88)

Erst dann kam es — bei gestiegenem Wohlstand, „Übermaß an Essen und Trinken",
zu neuen Initiativen der merkantilistisch orientierten und reformerisch motivierten Oberbeamten
Salzer und von Wallbrunn. Die Geschichte der auf ihre Initiative hin gegründeten
industriellen Betriebe und deren grundsätzlicher Problematik hat aber Straub nach
den Arbeiten von Gothein und Fischer nur Korrekturen hinzuzufügen, so daß hier nicht
näher darauf eingegangen wird. Dies gilt auch für die Geschichte der physiokratisch
inspirierten landwirtschaftlichen Verbesserungen und Neuerungen. (Vgl. Emminghaus,
Moericke, Schülin).

Im letzten HauptteiJ der Untersuchung wendet sich der Verfasser einem in dieser
Form in der landesgeschichtlichen Literatur noch nicht behandeltem Problem zu: Dem der
Einführung der Woll- und Baumwollspinnerei, nicht als landwirtschaftlichen Nebenerwerb,
sondern als verlagsindustrielle Tätigkeit für die unterbäuerliche Schicht. Das Hauptproblem
bei diesem Versuch lag darin, daß die potentiellen Arbeitskräfte Arbeitskraft
nicht sein wollten. So gab es nach einem Bericht der Schopfheimer Bleichenkompanie
vom 15. 11. 1758 sehr wohl viele Leinenweber im Land, welche die Hälfte des Jahres
ohne Beschäftigung waren, doch wollten diese das Baumwollspinnen und -weben nicht
erlernen. (S. 106) Erst während der Teuerung des Jahres 1758/59 standen zeitweise
266 Spinner im Wiesental zur Verfügung. Nach besseren Ernten ging diese Beschäftigungszahl
aber wieder zurück. Immer wieder verurteilten Unternehmer, Landvögte und Geheimräte
— die Vertreter des Bürgertums und des Staates — diese Einstellung der Unterschicht
und brandmarkten sie mit moralischen Kategorien. („Müßiggang"). Zu dieser Mentalität
stellt Straub fest: „Für sie (die unterbäuerliche Schicht) gilt, daß sie zunächst an
die Deckung des Eigenbedarfs, d. h. des Bedarfs ihrer Familie denken müssen; eine
darüber hinausgehende Bereicherung ist ihnen, die nicht auf dem Markt von den steigenden
Preisen für die Produkte des Landes profitieren können, nicht leicht möglich.
Daher rechnen sie vor allem in den Kategorien des „es reicht" — „es reicht nicht". Diese
Einstellung wird auch in der Situation der Lohnarbeit (des Spinnens für Verleger) nicht
sofort aufgegeben. Einem möglichen — aber nicht notwendigen — höheren Verdienst
standen eine Arbeit und ein Aufwand gegenüber, die zu übernehmen sich nicht lohnte,
solange die Lebensmittel wohlfeil waren . . . Eine solche Einstellung ... ist aber sicherlich
keine günstige Voraussetzung für die Einführung von Spinnarbeit. (S. 108f)

Die von manchen Beamten in der Provinz gewünschte Einführung des zwangweisen
Spinnens wiederum war nur wenig wirkungsvoll und auch von den Zentralbehörden in
Karlsruhe nicht gewünscht. An eine dauerhafte „Etablierung von Manufacturen" war also

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