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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
41.1979, Heft 3/4.1979
Seite: 319
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1979-03-04/0123
Theoderich d. Großen, König der Ostgoten, einen weitblickenden Staatsmann,
der den Alemannen Teile seines großen Reiches, das von Südfrankreich bis nach
Dalmatien und Sizilien reichte, als Wohngebiet zur Verfügung stellte, und der
ihnen die Möglichkeit gab, sich nach Süden und Südosten auszubreiten.

Bevor die Alemannen das Land besiedelten, wohnten hier vor allem die
Römer, und vor den Römern waren es die Kelten, und vor diesen wieder andere
Völker. Die römischen Siedler werden vor der Landnahme durch die Alemannen
das Land verlassen haben, aber Reste der Kelten und früherer Bewohner müssen
im Lande geblieben und friedlich mit den Alemannen zusammen gelebt haben.
Das beweist die Zusammensetzung der heutigen Bevölkerung z. B. am Kaiserstuhl,
in den Schwarzwaldtälern sowie im Hochschwarzwald. Einen Beweis dafür
bietet auch der Alemannenfriedhof bei Mengen, auf dem man nicht nur Alemannen
, sondern auch Skelette anderer Menschentypen freigelegt hat. Außerdem
wissen wir, daß es im alemannischen Raum auch fränkische Siedler gegeben hat.
Eine rein alemannische Bevölkerung kann es also heute nicht mehr geben, wenn
wir auch annehmen dürfen, daß die Mehrzahl der heutigen Bewohner im alemannischen
Siedlungsgebiet Nachkommen der aus dem Nordosten unseres Vaterlandes
, vor allem der mittleren und unteren Elbe stammenden Alemannen sind.

Wenn wir uns nun die Aufgabe gestellt haben, die alemannische Wesensart
zu beschreiben, müssen wir noch darauf hinweisen, daß das Christentum das
Verhalten der Alemannen entscheidend beeinflußt hat, und zwar das katholische
wieder anders als das evangelische Christentum. Und wenn uns bisweilen von
Dorf zu Dorf Unterschiede begegnen, dann mag das daran liegen, daß Pfarrer
oder Lehrer, die oft Jahrzehnte auf demselben Dorf tätig waren und aus den
verschiedensten Gegenden Deutschlands stammten, ihre Spuren hinterlassen haben.
Da aber noch heute ein erheblicher Unterschied zwischen der Bevölkerung Nord-
und Südbadens festzustellen ist, lohnt es sich, die markantesten Merkmale alemannischer
Wesensart herauszuarbeiten.

Sehr aufschlußreich für das Wesen des Alemannen scheint mir seine Sprache
zu sein. Der Unterschied zur Sprache im nordbadischen Raum ist so groß, daß
die Betberger Lehrkandidaten von dort wochenlang Mühe hatten, die Gemeindeglieder
zu verstehen. Das schönste Alemannisch wird in Lörrach und seiner Umgebung
gesprochen. Die alemannische Sprache hat etwas besonders Gefälliges,
wirkt leicht, elegant, beschwingt, ist voller Musik, überaus freundlich und liebevoll
. Zwei kurze Sätzchen bestehend aus vier Worten mögen das veranschaulichen,
indem ich die beiden Mundarten miteinander vergleiche. Der Alemanne sagt:
'S Müetterli het gsait . . . Der Bewohner des sogen. Unterlandes sagt: Die Mamme
hot gsoät . . .

Der liebevollen Sprache entspricht nun die Freundlichkeit des Wesens. Ich war
in jedem Jahr während meiner Kindheit und Jugendzeit in Lörrach im Elternhaus
meiner Mutter, habe dort viele Menschen kennen gelernt, war oft in Geschäften
und Familien. Dabei fiel mir immer wieder eines auf, die unüberbietbare
Freundlichkeit als wesentlicher Zug alemannischen Verhaltens. Ein besonderer
Beweis dieser stets geübten Freundlichkeit ist der Gruß. Man schüttelte beispielsweise
den Kopf über einen jungen Pfarrer, der anläßlich eines Spaziergangs durch
die Gemarkung der Nachbargemeinde wanderte und an den ihm begegnenden
Menschen ohne Gruß vorbei ging. Solch ein Verhalten ist den Alemannen völlig
unverständlich. Es ist sogar so, wenn man eben einen Alemannen gegrüßt hat
und begegnet demselben nach kurzer Zeit wieder, so sagt dieser um der Freundlichkeit
zu genügen: „Hen Sie umgehehrt?" Oder der Alemanne grüßt einen
anderen, den er bei der Arbeit sieht, mit den Worten: „Sin Dr flißig?", und bei
der Rückkehr sagt er: „Sin Dr allno flißig?" Die Freundlichkeit ist ein Zeichen
für Empfindsamkeit und vornehme Gesinnung. Man hat ein stark ausgeprägtes
Gefühl für Anstand und Takt. Nie wird ein Besucher vor der Haustür abgefertigt,

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