Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 216
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0010
„Diese Maßstäbe einer dörflichen Architektur gilt es zu erhalten. Dabei kann
kunsthistorisch wertvolle Substanz renoviert werden, können unter Dächern alter
Wirtschaftsgebäude neue Funktionen einziehen, können aber auch anstelle von
baufälligen oder nicht unbedingt schutzwürdigen Gebäuden neue Gebäude in
neuer Form — ohne Nachäffung alter, historisch begründeter Bauformen — mit
neuen Materialien entstehen, aber unter Wahrung des Maßstabes und Einhaltung
der Raumkonzeption des Dorfes."

Neue Siedlungsgebiete haben die ursprünglich geschlossenen Dorfränder, den
Ortsetter, inzwischen in die Landschaft ausfransen lassen. Das sieht entweder so
aus wie auch bei städtischen Randsiedlungen: Freistehende Einfamilienhäuser mit
behördlich geregeltem Grenz- und Fensterabstand ringsherum, ohne jegliche Ansätze
für intime Außenräume; Gartenraum und Straßenraum sind gleichermaßen
öffentlich — oder aber die Bodenausnutzung neben dem alten Dorf ist weiter vorangetrieben
über Wohnblocks bis zum Hochhaus. Diese neuen Wohnsiedlungen
sind nur noch als reine oder allgemeine Wohngebiete nach der Baunutzungsverordnung
ausgewiesen; das bedeutet, daß hier kein bißchen Landwirtschaft mehr betrieben
werden darf, selbst keine Kaninchen oder Hühner gehalten werden dürfen.
Das Innere dieser Wohnungen auf dem Lande unterscheidet sich nicht mehr von
den Wohnungen in der Stadt, von übernommenen Traditionen des jahrhundertealten
Bauernhauses ist nichts mehr zu spüren — abgesehen von Dekorationen wie
das Wagenrad an der Eingangsfassade und der Spiegel im Kummet auf der Diele.
Städtische Verhältnisse ziehen auf dem Dorf ein.

Das Überhandnehmen städtischer Verhältnisse, das unkritische Ubernehmen
städtischer Pseudovorbilder ist in den letzten 20 Jahren weitaus stärker geworden
als in früherer Zeit. Die Umwälzungen in der Landwirtschaft, vom „Bauern" zum
„Landwirt", gepaart mit den Auswirkungen des Wirtschaftswunders machten's
möglich. Reformen auf allen Gebieten haben einen nicht geringen Anteil daran.
Die sichtbare Abgrenzung zwischen Stadt und Land scheint sich mehr und mehr
zu verwischen. Ubergeordnete Maßnahmen für Einrichtungen der Infrastruktur
bringen sogar höhere private Belastungen für den weitläufigen ländlichen Raum
gegenüber den städtischen Ballungsräumen. Noch einschneidender vollziehen sich
die Veränderungen, die die private Motorisierung bewirkt. Und hierbei müssen
wir berücksichtigen, wie sehr der Landbewohner auf einen eigenen Pkw angewiesen
ist: Der Städter kann überwiegend seinen Arbeitsplatz mit einem öffentlichen Verkehrsmittel
erreichen, der ländliche Pendler fast nie. Das führt dazu, daß die Pkw-
Dichte auf dem Land größer ist als in der Stadt.

Schon 1970 waren z. B. 41 Prozent der Erwerbstätigen der Großgemeinde Efrin-
gen-Kirchen Auspendler. Nachdem die seit 1906 bestehende Zementfabrik in Klein-
kems als der größte Betrieb der Gemeinde die Produktion eingestellt hat, ist dieser
Anteil der Auspendler sprunghaft angestiegen, er liegt heute bei ca. 60 Prozent.
Damit ist das Bedürfnis zum eigenen Auto weiter gewachsen, denn der Fabrikarbeiter
, der früher noch mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß zur Arbeit ging, muß
jetzt mit dem Auto zur neuen Arbeitsstelle fahren, öffentliche Verkehrsmittel sind
rar auf dem Lande.

Diese Entwicklung schlägt sich im Straßenbau nieder, sowohl im örtlichen als
auch im überörtlichen: „Verkehrsplanung ist schon für die Städte eine enorme
Belastung — der ländliche Raum wird aber häufig noch viel rigoroser von Verkehrsbändern
durchschnitten, und zwar mit weitaus höheren Geschwindigkeiten."
So hat der Straßenbau schon manche örtliche Idylle zerstört, wurde aus Entschei-
dungszwängen heraus manch historisch wertvoller Dorfbestand unwiederbringlich
geopfert. Nach und nach verschwindet das alte Bild der Dorfstraßen, bei dem sehr
oft öffentlicher Straßenraum und privater Raum vor den Häusern ohne Gehwegmarkierungen
nahtlos ineinander übergingen. Statt dessen durchziehen mit harten
Randsteinkanten eingefaßte Fahrbahnen mit Mittelstreifen und beidseitigen Bür-

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