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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 217
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1980-03-04/0011
gersteigen das Dorf wie ein Fließband. Privater und öffentlicher Raum werden
hart getrennt, ein gutes Stück der alten lebendigen städtebaulichen Raumwirkung
schwindet dahin, und die nutzbaren Straßenbreiten werden eingezwängt: Für die
Landwirte ist fast kein Platz mehr zwischen parkenden Autos, wenn sie mit ihrer
Heufuhre durchs Dorf wollen.

Heute ist von der Bewußtseinsbildung zur Erkenntnis der Werte des Dorfes in
der Öffentlichkeit schon etwas zu spüren: Die Dorfentwicklungsplanung, in Baden-
Württemberg als Gegengewicht zur Gemeindereform ins Leben gerufen, wird als
Generationsaufgabe erkannt und soll dazu verhelfen, die Dörfer lebendig und
lebensfähig zu erhalten, darf aber nicht als kosmetische Behandlung der Dörfer
mißverstanden werden.

Der Dorfentwicklungsplan soll für künftige Entwicklungen, die heute nicht vorhersehbar
sind, genügend Spielraum lassen. Er wird ausweisen, wo Umnutzungen
von Ökonomiegebäuden möglich sind, wo künftig neue Funktionen im Dorf einziehen
können — seien es nun gewerbliche oder freiberufliche, gastronomische oder
Nutzungen des Beherbergungsgewerbes und natürlich Umnutzungen zu Wohnzwecken
. Der Plan wird festlegen, welche Gebäude von ortsbildprägendem oder
Denkmalswert geschützt werden sollen, er wird auch gestalterische Festlegungen
treffen über Anwendungen von Materialien und Farben. Im Plan werden Möglichkeiten
zur Erweiterung von Anwesen ausgewiesen und solche für Neubauten. Es
wird oder kann sich z. B. als Ergebnis des Dorfentwicklungsplanes herausstellen,
daß eine Gemeinde vorerst gar keine Neubaugebiete für ihre Dörfer erschließen
muß, da in den Dorfkernen bei sinnvoller Anwendung der Dorfentwicklung genügend
Reserve für künftige Entwicklungen steckt.

In diesem Zusammenhang genügt es natürlich nicht, sich darauf zu berufen, daß
die meisten unserer Markgräfler Dörfer, soweit sie noch landwirtschaftlich geprägt
sind, heute mitsamt ihren Neubaugebieten weniger Einwohner haben als vor 100
Jahren. Hier sei als ein Beispiel Blansingen angeführt: 1871 noch 439. 1974 nur
377 Einwohner. Diese Entwicklungen machen deutlich, wie sehr auch auf dem
Land die Wohnansprüche gestiegen sind, die Ansprüche auf mehr Wohnfläche.
Sollten jedoch nur die gesteigerten Wohnansprüche durch die Dorfentwicklung gedeckt
werden, so würden die Dörfer langsam aber sicher zu Wohn- und Schlafansiedlungen
degradiert werden. Neben dem Fortbestand der Haupt-, Zuerwerbs-
und Nebenerwerbslandwirtschaft sollte auch auf eine gezielte Entwicklung zu anderen
Erwerbsmöglichkeiten und damit zu dezentralisierten Arbeitsplätzen hingewirkt
werden. Die Lebensfähigkeit unserer Dörfer wird davon abhängen, daß
hier in mühevoller Kleinarbeit von Fall zu Fall die Möglichkeiten für Lebensund
auch Erwerbsbedingungen geschaffen werden, die, wie schon in der Vergangenheit
, die Form der Dörfer bestimmt haben und auch zukünftig sich der Struktur
dieser Dörfer anpassen müssen.

Jedes Dorf hat im Laufe seiner Geschichte und in seiner speziellen landschaftlichen
Situation sein ganz eigenes Ortsbild entwickelt. Dieses individuelle Bild vom
Dorf ist in Gefahr, verloren zu gehen, einer allgemeinen Uniformität ausgeliefert
zu werden. Heute sind Einzugsbereiche und Sogwirkungen von Stadt- und Industrie
entscheidend, ob das Dorf noch seinen ursprünglichen, von der Landwirtschaft
geprägten Charakter behalten hat.

Und wir sollten diesen ortseigenen Charakter der Dörfer nicht gering achten,
denn hier manifestierten sich ein kulturelles und historisches Erbe, das es wert ist,
gepflegt zu werden, das durchaus zur Förderung des Geschichtsbewußtseins beitragen
kann, das die Gebäude als letzte Zeugen der Vergangenheit zu lebendigen
Überlieferungen dieser Vergangenheit werden lassen kann. In jeder Region hat
sich in den Dörfern etwas Regional-Typisches entwickelt, ist eine Art gebauter
Dialekt entstanden, der nicht einer ,Einheitssprache' weichen darf, wie sie in der
Regel Einfamilien- und Fertighaussiedlungen landauf, landab sprechen.

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