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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 220
(PDF, 32 MB)
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Es wird zusehends auch von seinen ursprünglichen Bewohnern (Bauern, Neben-
crwerbslandwirten) und in der Generationenfolge zu Arbeitspendlern gewordenen
Mitgliedern der Dorfgemeinschaft als Wert erkannt, wenn auch noch sehr diffus
und mehr als Unbehagen an der Veränderung des Dorfes, die von seinen jungen
Bewohnern selbst getragen wird.

Was im Einzelfall mit Arbeitseifer als Verbesserung der Wohnsituation geschaffen
wird, stellt sich in der Summe als Substanzverlust dar. Man folgt offensichtlich
Zwängen, deren Gesamtresultat das Dorf in seiner wertvollen Besonderheit in
Frage stellen.

Soll das Unbehagen in eine gezielte Aktion münden, für die sich vielerorts die
ersten Geister regen, so ist eine Besinnung auf die Besonderheit des Dorfes nötig.
Sie ist aus der Entstehung des Dorfes als bäuerliche Lebensgemeinschaft zu erklären
; ihre Gefährdung folgt aus dem Strukturwandel der Landwirtschaft und den
neuen „Funktionen" der Dörfer.

Darin liegt aber auch der Kern ihrer neuen Bedeutung, und wenn heute so viel
von Erhaltung der dörflichen Substanz die Rede ist, dann soll damit nicht die
Konservierung der Außenhaut verlorener Werte gemeint sein. Vielmehr müssen die
dörflichen Werte den neuen Aufgaben nutzbar gemacht und das Dorf auf neuer
Existenzgrundlage zu neuem Leben erweckt werden.

2. Die dörfliche Siedlungsform

Wer heute durchs Land fährt, auf den neuen Umgehungsstraßen an den Siedlungen
vorbei, dem wird zumindest eines nicht entgehen: Das in strahlendem Weiß
vom Hangrücken leuchtende Neubaugebiet, in den Wald eingesägt, die Kistchen
hingewürfelt wie auf einem steinigen Acker, eine gestaltlose, gefräßige Masse —
die Erweiterungsfläche ist schon planiert. Erst beim zweiten Hinsehen entdeckt er,
halb im Hang oder im Talgrund zwischen Baumkronen, eine Reihe Ziegeldächer
eng beieinander, in unregelmäßigen Winkeln zueinander, geordnet als ein lockeres
Ganzes, eingebettet in das Grün der Gärten und Bäume (s. Abb. 1).

In das Neubaugebiet wird er nur abbiegen, wenn er dort wohnt oder einen
Besuch machen will. Der Dorfkern spricht ihn anders an. Er ist mehr als nur eine
Ansammlung von Häusern, er strahlt eine Atmosphäre aus, die sich beim Rundgang
noch verdichtet.

Bevor er aber weiß, wie sie zustande kommt, fallen ihm Störungen ins Auge.
Hier ist ein Dach schwarz gedeckt und wirkt wie ein schwerfälliger Fremdling unter
den anderen. Dort wurde mehrfach angebaut und aufgestockt, Balkonbeulen
setzen den Schlußpunkt. Die Betonkiste einer Fertiggarage verstellt die ehemalige
Hofeinfahrt. Rundherum ist noch zu sehen, wie früher kleinere Anbauten an die
vorhandenen Häuser angelehnt oder unter abgeschleppte Dächer gesteckt wurden.

Nicht mehr alle Hauseingänge sind der Dorfstraße zugeordnet. Man muß schon
ums Haus herumgehen, der ehemalige Vorgarten ist geteert. Vier Blumentöpfe an
seiner Stelle sind eine traurige Reminiszenz, und selbst sie verdanken ihr Dasein
nur dem Dorfverschönerungswettbewerb.

Manche Häuser sind in einem schlechten Zustand, viele Scheunen ungepflegt. Sic
stehen leer und verfallen. Aus einer Scheune quellen Lumpen zwischen der morschen
Holzverschalung heraus. Das Altwarenlager wird eine Übergangsnutzung
sein, bis der Regen endgültig durchs Dach kommt.

Wieviele Scheunen schon abgerissen sind, lassen einige ungestaltete Leerflächen
und ein paar Neubauten, beziehungslos, aber mit bauordnungsgerechtem Grenzabstand
in eine Baulücke gesetzt, nur vermuten.

Der Betrachter muß nicht Architekt oder Kreisbaumeister sein, um auf den Gedanken
zu kommen, daß hier etwas gerettet werden muß. Die Versatzstücke neuen
Bauens fallen so unangenehm ins Auge, weil sie eine noch erkennbare Einheitlich-

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