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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
42.1980, Heft 3/4.1980
Seite: 322
(PDF, 32 MB)
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Familien begründet. Unter ihnen kam auch ein Berliner Leinenweber, Joachim
Wittstock, in der Schlacht bei Kolin 1757 in österreichische Gefangenschaft
und später nach Bistritz. Er heiratete dort und wurde der Stammvater der bekannten
Familie Wittstods, aus der namhafte Pfarrer, Lehrer und Schriftsteller
hervorgegangen sind.

Ein großer Teil der Nachkommen der Emigranten leben heute im Westen.
Die Zahl der in Siebenbürgen noch lebenden Sachsen dürfte auf zirka 160 000
zurückgegangen sein.

Im weiteren 18., 19. und 20. Jahrhundert konnte sich unser Sachsenvolk
trotz vieler politischer Unterdrückungen und großer wirtschaftlicher Verluste
doch relativ ruhig und unbeschwert weiter entwickeln. Auch wir wurden von den
schweren Opfern der beiden Welkriege nicht verschont, und am Ende eines jeden
Krieges mußten wir den Wechsel unserer Staatsform von der österreichischungarischen
Monarchie zum Königreich Rumänien 1919 und nach 1944 zur Sozialistischen
Republik Rumänien erleben. Damit waren große Umstellungen im
kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leben verbunden.

Nach dem Wiener Schiedsspruch von 1940 wurde zum erstenmal in unserer
800jährigen Geschichte Siebenbürgen geteilt. Nordsiebenbürgen kam mit dem
Nösnergau an Ungarn, während der Süden bei Rumänien blieb.

Im September 1944 wurde — nach schweren Abwehrkämpfen der deutschen
Truppen im Südosten — die Evakuierung der Sachsen des Nösnergaues angeordnet
. Der bekannte Treck über Ungarn nach Österreich wurde durch den letzten
Kommandierenden von Siebenbürgen, General A. Phleps, und den Bischofsstellvertreter
Generaldecbant Dr. C. Molitoris, vorbereitet. General Phleps empfing
den Generaldechanten und letzten Stadtpfarrer von Bistritz C. Molitoris in
seinem Hauptquartier in Neumarkt a. M. zu einer entscheidenden Aussprache.
Hier das Gespräch zwischen Soldat und Pfarrer in sächsischer Mundart *. Die
Frage des Pfarrers: „Herr General, ech bidde Se, so se mer goanz ofen, kenne
mer blewen oder messen mer es berid halden, de Himet zu verlossen?" Seine
Antwort: „Herr Generaldechant, det Land es net ze halden. Eas Lekt messen
derfun, uch von jeder nor met em Briutdäschchen met e wenich Briut uch
Bochflisch an der Hand sech af mauchen siel, eas Lekt messen ereos!" — Die
Evakuierung erfolgte diszipliniert mit fast nur Frauen, Kindern und alten
Männern, zum Teil unter dem Schutz deutscher und ungarischer Truppen, mit
eigenen Gespannen oder mit der Eisenbahn unter größten Strapazen. 35 000 bis
40 000 Remigranten waren bis nach Nieder-Österreich neun Wochen unterwegs,
wo sie noch vor dem Winter vorübergehend eine neue Heimat fanden. 6000 bis
8000 Sachsen wurden aus den sowjetisch besetzten Zonen wieder nach Siebenbürgen
zurückdeportiert. Sie durften ihre alten Dörfer nicht mehr betreten und
hatten ein schweres Schicksal zu ertragen.

Nach dem hohen Blutzoll unseres kleinen Sachsenvolkes in beiden Weltkriegen
auf allen Kriegsschauplätzen, besonders durch die Divisionen der Waffen-SS,
setzte im Winter 1945 eine Deportation von angeblich 30 000 Männern und
Frauen — zum Teil von stillenden Müttern! — nach Südrußland zum Wiederaufbau
ein, von denen viele Tausende die Heimat nicht wiedergesehen haben.

Die Umstellung von einem monarchisch-demokratischen Land in das sozialistische
Regime brachte allergrößte Veränderungen unseres bisherigen Lebens.
Sie verwandelte Rumänien von einem Agrarstaat in einen Industriestaat. Zu den

Die Frage des Pfarrers: „Herr General, ich bitte Sie, sagen Sie mir ganz offen, können
wir bleiben oder müssen wir uns bereit halten, die Heimat zu verlassen?" Seine Antwort
: „Herr Generaldechant, das Land ist nicht zu halten. Unsere Leute müssen davon,
auch wenn jeder nur mit einem Brottäschchen mit wenig Brot und Speck in der Hand
sich aufmachen sollte, unsere Leute müssen raus!"

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